Lektorinnen und Lektoren sind Eigenbrötler, die am liebsten im stillen Kämmerlein vor sich hin schaffen. Mit Buchstaben können sie weit mehr anfangen als mit Menschen, und den Kontakt mit Letzteren versuchen sie so gut es geht zu vermeiden. Ist ja allgemein bekannt. Stimmt nicht, sagt ihr, liebe Leserinnen und Leser? Ihr liebt Menschen genauso wie Buchstaben? Na, dann ab zum Self-Publishing-Day nach Düsseldorf! Dort gibt es nämlich jede Menge Menschen, die auch noch jede Menge Buchstaben produzieren – die Gelegenheit, richtig nah ranzukommen an potenzielle Kundinnen und Kunden! Es lohnt sich also für freie Lektorinnen und Lektoren, Communitypflege zu betreiben und auf solchen Veranstaltungen präsent zu sein.
Von Michael Lohmann
Muss ich als Lektorin/Lektor da meine Nase zeigen, auf so einem Treffen der Selfpublisher?
Klare Antwort: Nein. Wenn dein Spezialgebiet „Vorchristliche Barockdichtung in Panama“ nur von dir belegt wird, wenn dein Nebengebiet „Veganes Metzgern“ eines mit Zukunft ist und du dich fröhlich und vor allem sicher im Sattel fühlst – bleib weg! Allen anderen sei aus tiefstem Herzen zugerufen: Kommt her zur neuen Zielgruppe! Zu euch kommt sie nämlich nicht.
Wobei … neue Zielgruppe? Selfpublisher gibt es sicherlich schon zehn Jahre. Aber: Die Szene wird rauer, einerseits, und die Szene professionalisiert sich. Eine Lektorin zu haben, gehört bei manchem zum guten Ton, und der Lektor wird in diesem immens mitteilungsfreudigen Grüppchen natürlich mit dem Possessivpronomen belegt: „Meine Lektorin ist der Meinung … Was meint ihr?“ Man hört aber auch: „Was brauch ich eine Lektorin, die kostet nur. Das kann auch meine Freundin, die ist Deutschlehrerin, und den Rest macht das Rechtschreibprogramm von Word.“
Daraus lernen wir dreierlei: Wir stehen mehr als bei Arbeiten für Verlage oder Institutionen in der Öffentlichkeit. Und: Der Ton ist manchmal rau, ja, Unzufriedenheit mit des Lektors Arbeit wird auch öffentlich diskutiert. Und auch: Bei dieser Zielgruppe herrscht Aufklärungsbedarf, Redebedarf, Handlungsbedarf, Überzeugungsbedarf. Nach zehn Jahren wächst die Community, aber Selfpublishing steckt immer noch irgendwie in den Kinderschuhen.
Na, und? Sind wir Profis?
Und wir lernen viertens: In dieser Öffentlichkeit – das haben die Selbstverleger gelernt – suchen sie sich ihren Lektor sehr genau aus. Und fünftens: Selbstverlegerinnen sind kritisch – und überaus wissbegierig. Sie saugen dich mit Fragen aus und vergleichen dein Angebot mit anderen. Die Soft Skills, die Eigenschaften über die harten Fakten hinaus (Sympathie, Offenheit, Erreichbarkeit, Sich-testen-lassen-Wollen) spielen da eine Hauptrolle.
Na, und? Sind wir gut?
Und nun zur Ausgangsfrage: Muss Düsseldorf, muss so etwas sein für uns Lektorinnen und Lektoren: der Aufgalopp der Selbstverleger, deren jährliches Hochamt? Natürlich. Wie überzeuge ich, wenn nicht von Antlitz zu Antlitz, mit Wort für oder gegen Wor(t)d (dieser Wort-Witz im Wort-Sinne musste sein), mit dem Aufbau von Sympathie, mit der Präsentation der eigenen Leistungsfähigkeit – oder der Erkenntnis, dass es mit dem oder der auf keinen Fall geht, wenn man im Zuge der Arbeit mal ins Hand-Wort-Gemenge gehen muss. Ja, wir müssen Präsenz zeigen. Ich arbeite seit mehr als drei Jahren fast ausschließlich für Selfpublisher/-innen. Und ich darf zufrieden sagen, dass die Zahl der negativen Erfahrungen sich im sehr niedrigen einstelligen Prozentbereich bewegt.
Und ja, ich kenne viele meiner Kunden persönlich, ja, viele habe ich auf solchen Veranstaltungen getroffen, ja, viele Kontakte (und auch Aufträge) ergeben sich direkt oder indirekt aus diesen Livetreffen. Nicht zu vergessen: Die reden viel unter sich, die tauschen sich, meist über Facebook, aus, sie tauschen sich auch aus über die Lektorin oder den Lektor der Wahl und ihre Erfahrungen: „Sag mal, Roswitha-Riccarda, du warst doch da … meinst du, dass ich es mit dem versuchen sollte oder doch lieber mit der?“
Und noch ein Argument pro Veranstaltungen wie Düsseldorf: Ist es, ganz generell, nicht immer besser, den anderen zu sehen beim Reden und sich unter die Vertreter der Zielgruppe zu begeben, als mit Werbemails zu spammen? Ist nicht persönliches Kennenlernen immer auch die Basis von Empfehlungsmarketing?
Also, wer nach Düsseldorf kommt, sollte dies mitbringen:
- Visitenkarten
- Offenheit bis zur Bereitschaft, Neues zu lernen
- Saubere Ohren (zum Zuhören)
- Die Fähigkeit, sich in kurzer Zeit auf sehr viel unterschiedliche Gespräche einzustellen
- Gute Laune
Dann klappt es auch mit den Selbstverlegern.
Der Self-Publishing-Day 2018 findet am 26. Mai in Düsseldorf statt. Michael Lohmann wird vor Ort am VFLL-Stand sein und Autoren, Lektoratskolleginnen und anderen Interessierten Rede und Antwort stehen.
Michael Lohmanns Website und Blog
Der VFLL ist Sponsor des Self-Publishing-Day. Verbandsmitglieder bekommen 10 Euro Rabatt auf den Ticketpreis. Wer das Angebot nutzen möchte, fordert zunächst auf der Veranstaltungswebsite einen Rabattcode an und gibt diesen dann bei der Ticketbuchung ein. Es lohnt sich, das Ticket vorab zu kaufen: Online kostet es 183,26 Euro brutto, an der Tageskasse 210 Euro.
Großes Bild: (c) Lutz Kreutzer
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