Wie ist denn das so? Wie arbeitet ein Lektor – oder, in diesem Fall, eine Lektorin, die ihr Büro zu Hause hat und von Unordnung geplagt ist, die man nicht auf die eigenen Kinder schieben kann, weil das Arbeitszimmer eben nur von der Besitzerin selbst verwüstet wird?
So ist das:
Aufstehen, Kinder wegbringen, eine Stunde rumdaddeln, arbeiten (Konzentrationsintensives), Kinder abholen, Mittagessen, weiterarbeiten (Geräuschunempfindliches), Abendbrot, Kinder ins Bett, Feierabend.
Wahlweise statt Abendbrot: in die Stadt fahren, Netzwerktreffen o. Ä.
So sieht mein Arbeitsalltag aus. „Zu ungenau!“, höre ich es rufen. Also gut, hier folgen die Details.
Ich brauche Ruhe zum Arbeiten, jedenfalls, wenn es um die reine Textarbeit geht. Wenn ich arbeiten muss, während die Kinder zu Hause sind, setze ich mir bei steigendem Geräuschpegel Micky Mäuse auf, diese Baustellenohrenschützer. Das hat den Vorteil, dass ich ganz in meine Textwelt abtauchen kann, aber auch den Nachteil, dass ich mich zu Tode erschrecke, wenn jemand in mein Zimmer kommt.
Meine Deadlines stehen im Kalender, außerdem werden die einzelnen Projekte auf meiner rudimentären Kanban-Wand fixiert. Inspiriert dazu wurde ich von Katja, die … aber dazu später.
Bevor ich mich auf die Arbeit stürze, lese ich im Internet rum – Facebook, Foren, Twitter, Blogs und die vielen Artikel, die einem dort um die Ohren fliegen. Dann arbeite ich so lange konzentriert, bis es nicht mehr geht und fange wieder an, rumzudaddeln. Facebook ist für mich wie die Kaffeeküche in einem „echten“ Büro, dort treffe ich meine ganzen freiberuflich tätigen Kolleginnen (und wenige Kollegen, das sollte jetzt aber nicht so aufgefasst werden, als ob dort weniger Männer rumhängen, liegt vielmehr an meinem frauenlastigen Netzwerk) und wir quatschen ein bisschen über dies und das. Nach einer Weile arbeite ich weiter. Zwischendurch mache ich auch gern mal Pilates, damit habe ich angefangen, als meine Schwägerin und ich ein gemeinsames Pilates-Buchprojekt hatten.
Ums Mittagessen brauche ich mich nicht zu kümmern, ich habe einen küchenaffinen Mann, der vormittags zu Hause ist und dankenswerterweise den Haushalt schmeißt.
Am Nachmittag arbeite ich nur so halb, es gibt Arbeit, die ich dann gut machen kann, andere geht gar nicht. Aufräumen würde wohl gehen, aber irgendetwas hindert ich in der Regel daran. Die Kinder brauchen die Aufmerksamkeit ihrer Eltern jedenfalls mittlerweile nicht mehr so stark und sind froh, wenn wir sie in Ruhe lassen.
Wenn die Kinder im Bett sind, fängt für mich der Feierabend an. Etwa einmal pro Woche fahre ich „in die Stadt“ – wir wohnen zwar in Hamburg, aber extrem dörflich – und treffe mich mit Kolleginnen und Kollegen, die Frauen überwiegen dabei deutlich. Dabei handelt es sich z. B. um Treffen vom WEC (Woman Entrepreneur Club, eine Xing-Gruppe für selbstständig tätige Frauen), Treffen mit Frauen vom Netzwerk Texttreff oder jetzt aktuell Orga-Treffen für den Hamburger Lektorentag. (Ihr kommt doch alle, oder?)
Dort habe ich die Möglichkeit, mich mit anderen über meinen Beruf auszutauschen. So dreht man sich nicht immer nur um sich selbst.
Seit einem halben Jahr bin ich auch Teil eines Erfolgsteams, das ich über den WEC gefunden habe. Ein Erfolgsteam besteht aus 4–5 Mitgliedern, die sich gegenseitig in den Hintern treten. Genau genommen erzählen wir uns gegenseitig, was wir an unserem Berufsalltag verbesserungswürdig finden oder was wir gern machen würden, aber nie dazu kommen. Mein Wunsch war es, Vertreterinnen anderer Berufsgruppen in meinem Erfolgsteam zu haben, um mal einen ganz anderen Blick von außen auf meinen Berufsalltag zu bekommen. Dadurch finden sich oft Möglichkeiten, auf die man selbst nicht gekommen wäre. Oder ist. Und so entstand auch die Idee mit der Kanban-Wand, die ich – in professionellerer Form – bei meiner E-Team-Kollegin Katja gesehen hatte. (Meine Kolleginnen sind von Beruf Grafikerin, Bestatterin und Coach/Redakteurin.)
An motivationsfreien Tagen bediene ich mich gern der Pomodoro-Technik. Da stellt man sich den Wecker auf 25 Minuten und muss in der Zeit tüchtig arbeiten. Anschließend muss man fünf Minuten Pause machen und dann geht es weiter mit den nächsten 25 Minuten. Diese Taktik funktioniert für mich so nicht ganz, das Ticken des Weckers hilft mir aber, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. In der Regel bin ich dann richtig „im Flow“, wenn der Wecker klingelt, und arbeite ungehindert noch eine gute Weile weiter. Pomodoro hilft mir also durchaus, nur ein bisschen anders.
Die letzten drei Monaten hatten wir ein Gastkind bei uns wohnen. Das (also die Tatsache der Anwesenheit des Kindes mehr als das Kind selbst) hat meinen Alltag teilweise ziemlich durcheinander gebracht. Wenn wieder Ruhe eingekehrt ist und die Ferien vorbei sind, werde ich wieder früh morgens aufstehen und an meinem eigenen Buchprojekt weiterarbeiten. Auch eine Idee aus dem Erfolgsteam: Zeit für Persönliches fest in den Arbeitsalltag einbinden.
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Liebe Gesa, vielen Dank für deinen Bericht! Ich erkenne mich im Großen und Ganzen in deinem Alltag wieder. Mir gefällt sehr gut, dass du deine Facebookpausen als „Kaffeepause mit den Kolleginnen“ bezeichnest, stimmt ja irgendwie auch, ich hab das bisher nur noch nie so gesehen, sondern hatte eher ein schlechtes Gewissen… Danke! Viele Grüße aus dem Arbeitszimmer unterm Dach, Sonja
Liebe Sonja,
das mit dem schlechten Gewissen kenne ich, deshalb bin ich auch sehr glücklich, die Kaffeepausenlösung gefunden zu haben. Schließlich brauchen wir auch mal Kontakt zur Außenwelt!
Oh, hallo, schön zu sehen, dass der Schreibtisch bei anderen genauso unordentlich ist wie meiner.
Ansonsten sieht mein Tagesablauf sehr ähnlich aus, obwohl ich keine Kinder habe.
Die Kanban-Wand ist eine super Idee, so etwas sollte ich mir auch dringend zulegen. Danke für die Inspiration!
Viele Grüße von einer Kollegin aus dem Ruhrpott
Die Kanban-Wand scheint bei vielen einen Nerv zu treffen, das ist prima!
Hallo Gesa,
sehr gut beschrieben, klasse! Darf ich fragen, wie alt deine Kinder sind? Unserer ist zwei Jahre alt und lässt mir wenig Freiraum zum Arbeiten, wenn er zu Hause ist (es sei denn, er darf auf meinem Schoß sitzen und malen, während ich am PC arbeite – aber toll ist das nicht).
Facebook nutze ich ebenfalls als virtuelle Kaffeeküche – schönes Bild!
Die Geschichte mit dem Gastkind ist sehr rührend – großartige Sache!
Viele Grüße aus Koblenz
Katja
Hallo Katja,
meine Kinder sind viereinhalb und sechs. Dass ich nachmittags arbeiten kann, funktioniert etwa seit einem Jahr. Es war allerdings nicht einfach, mir den Freiraum zu erkämpfen und ungestört bleibe ich meistens doch nicht. Deshalb lege ich die weniger konzentrationsintensiven Arbeiten auf den Nachmittag, z. B. Rechnungen schreiben, einfache Korrekturen usw.
Viele Grüße
Gesa