Am 26. März fand eine von Wikimedia Deutschland organisierte Diskussionsveranstaltung im Wikimedia-Salon statt mit dem Titel „G=Grundeinkommen. Eine Antwort auf die digitale Krise des Urheberrechts?“ (nachzuverfolgen auf www.wikimedia.de/wiki/Wikimedia-Salon_-_Das_ABC_des_Freien_Wissens).
Die Aktualität dieser Frage liegt auf der Hand. Die digitale Krise des Urheberrechts verschärft die Lebenssituation für Kreative, die oftmals ohnehin um ihre Existenz kämpfen. Ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle könnte die bisher von der Existenznot blockierten kreativen Potenziale vollständig freisetzen. Und Kreative von dem Zwang zur ökonomischen Verwertung ihrer Werke befreien, die durch das Urheberrecht erst möglich wird.
Wer für ein bedingungsloses Grundeinkommen und damit für die Entkoppelung von Einkommen und Arbeit plädiert, hat freilich eine andere Auffassung von Arbeit als derjenige, für den Arbeit immer schon Erwerbsarbeit ist, und hinsichtlich dieser Auffassung bestand der eigentliche Dissens unter den Podiumsgästen.
Olaf Zimmermann (Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates) führte gegen das Grundeinkommen als Problemlösung der Urheberrechtskrise an, dass damit das Einkommen seine individuelle Leistungsbezogenheit verliert. Die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens widerspricht einem Verständnis von Arbeit, nach der sie angemessen und wertschätzend honoriert wird, der Arbeitende mit dieser Honorierung Anerkennung und Anreiz erfährt und sich so individuell verwirklichen kann. Also einem Verständnis von Erwerbsarbeit im klassischen und vor allem idealen Sinne. Diesen Status von Erwerbsarbeit zu sichern oder weitgehend herzustellen ist im Kreativbereich jedoch ohne das Urheberrecht schlicht unmöglich. Der sozialen Prekarisierung Freischaffender ist somit durch die Sicherung, Verschärfung oder stärkere Durchsetzung des Urheberrechts entgegenzuwirken.
Dieses traditionelle Verständnis von Arbeit und die daraus resultierende Ablehnung eines Grundeinkommens fanden bei den übrigen Teilnehmern der Podiumsdiskussion keine Zustimmung. So konnte, wie von Adrienne Goehler (Berliner Senatorin a. D., Publizistin und Kuratorin), auf die ständige Verknappung von Erwerbsmöglichkeiten und der damit verbundenen Existenzangst etwa bei Künstlern hingewiesen werden, die in hohem Maße psychische wie zeitliche Ressourcen verschlingt und damit die eigenständige Leistung beeinträchtigt, die, gleichsam als Berechnungsgrundlage, in dem leistungsbezogenen Einkommenskonzept der Erwerbsarbeit eingefordert wird. Mit der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens würde Arbeit hingegen nicht mehr auf Erwerbsarbeit reduziert werden. Vielmehr könnten an einer vom Einkommenszwang befreiten Arbeit neue soziale und kreative Dimensionen von Arbeit zum Vorschein kommen. Für Ilja Braun (Autor des Buches Grundeinkommen statt Urheberrecht) hat eine solche Arbeit bereits ihre prototypische Gestalt in der künstlerischen Tätigkeit, die immer schon unabhängig von äußeren Leistungsanreizen ausgeübt wurde. Was in der Sprache der Leistungsbezogenheit Anreiz heißt, ist für ihn nur der Zwang, mit der eigenen Tätigkeit Einkommen erwerben zu müssen. Das Urheberrecht verspricht dagegen eine ökonomische Eigenständigkeit, die seit je nur die wenigsten durch die Wahrnehmung dieses Rechts erreichen konnten. Michael Bohmeyer (Gründer von mein-grundeinkommen.de) wies auf den kulturell tief verankerten Mechanismus hin, Leistungen stets mit Gegenleistungen aufrechnen zu müssen, was verhindert, über das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens vorurteilslos nachzudenken. Dementsprechend will Bohmeyer mit seinem schwarmfinanzierten Projekt, Menschen für ein Jahr ein Grundeinkommen zu zahlen, erfahrbar machen, was bisher noch auf Denkbarrieren stößt, und zeigen, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen das Leben verändern könnte.
Statt also Arbeit über den Erwerb zu definieren, wonach Einkommen als Indikator für Leistung gilt, würde im Falle des Grundeinkommens sich die Arbeit direkt in der freien Leistung auf der Basis gesicherter Lebensbedingungen ausdrücken. Ob jemand z. B. einer schriftstellerischen Arbeit nachgeht, würde sich an seinen Werken entscheiden und nicht daran, ob er dank des Einkommens durch seine Werke den finanziellen Erwartungen der KSK entspricht, nach denen er von seiner Tätigkeit auch leben können muss.
Aus dem, was sich für ein Grundeinkommen anführen lässt, ist allerdings, wie sehr man sich auch bemüht, kein Argument gegen das Urheberrecht zu gewinnen. Für ein solches Argument bedürfte es eher der Idee eines freien Zugangs aller zu kreativen Erzeugnissen oder gar eines freien Umgangs mit ihnen. Und zwar verbunden nicht zuletzt mit der Erwartung, dass damit kulturellen Innovationen und der Kreativität aller besser gedient ist als mit einem starken Urheberrecht. In diesem Zusammenhang würde auch die Frage nach der Bedeutung des Anspruchs auf individuelle Urheberschaft und der damit verbundenen souveränen Verfügung über das eigene Werk brisant. Doch liefe dies auf eine andere Debatte hinaus, in der es auf eine Änderung oder Differenzierung des Urheberrechts ankäme.
Gewiss steht die Trägheit gesellschaftlicher Institutionen, die eine angemessene Honorierung von kreativ Arbeitenden auf dem Wege des Urheberrechtes durchsetzen könnten, allzu deutlich im Kontrast zu dem hohen Tempo ökonomischer und technischer Prozesse, mit denen dieses Recht in Konflikt gerät. Das Urheberrecht preiszugeben, weil es angesichts solchen Kontrastes immer weniger halten kann, was es verspricht, scheint mir jedoch voreilig. Wenn man deshalb zunächst an diesem Recht festhält, so muss man jedoch keineswegs gegen das Grundeinkommen sein. Zu dieser Ablehnung zwingt, wie gesehen, erst eine bestimmte Vorstellung von Arbeit. Die Diskussion über das Grundeinkommen mit der über die Krise des Urheberrechts sinnvoll zu verknüpfen, das hieße eben auch, beide Konzepte nicht gegeneinander auszuspielen. Denn vielleicht würde auch das Grundeinkommen, zumal es ein Experiment wäre, nicht halten können, was es verspricht.