Die Regionalgruppe Rhein-Ruhr des VFLL um einen Tisch bei der Lesung von Peter Schäfer alias Neo Helm

Von der High Fantasy zum Lektorat: Kollegiales Coaching und Lesung mit Dr. Peter Schäfer

Peter Schäfer ist Lektor, Autorencoach und Autor. Unter dem Pseudonym Neo Helm ist Mitte Juli 2025 der letzte Band seiner High-Fantasy-Trilogie „Halbgott“ erschienen. In seiner Doppelrolle kennt er beide Seiten des Schreibtisches: die Freuden und Sorgen des Schreibenden und die des Beraters, der Autor*innen hilft, ihr Buch auf und in die Welt zu bringen.

von Rabea Farke

Beim Treffen der Regionalgruppe Rhein-Ruhr konnten wir uns mit Peter alias Neo nach einer Lesung aus seinem Roman über seine Erfahrungen als Lektor, der gleichzeitig Autor ist, austauschen. Anschließend ging es im Rahmen eines kollegialen Coachings um Möglichkeiten für Lektor*innen, im Bereich des Selfpublishing zu beraten.

Teil 1: Abtauchen in neue Welten – die Lesung

Neo Helm freut sich, wenn seine epische Fantasy eine gewisse Tiefe und viel mit unserem Leben zu tun hat. Wie bringt der Autor aber diese Lebensnähe, also Bekanntes, Vertrautes, Menschliches in seine Fantasywelt hinein? Gerade die High Fantasy zeigt eine eigene, in sich abgeschlossene, oft sehr andersartige Welt. In diese exotische magische Welt abzutauchen, den Alltag zu vergessen, ist ja gerade das, was den Reiz dieses Genres ausmacht. Da suchen Lesende nicht unbedingt die Nähe zu ihrem Alltag in der Lektüre, oder doch?

Der Roman handelt von zwei Welten, die seit langer Zeit getrennt sind. In dem „Verfluchten Wald“ leben die Alben, bösartige Naturwesen, abgeschottet von den Menschen, und töten jede Person, die den Wald betritt. Sie halten dort ein unsterbliches Wesen gefangen, das sie vor langer Zeit besiegt und seinen Körper unter der Erde begraben haben. Doch plötzlich scheint der Wald nach den Menschen zu rufen. Ist der Gefangene wirklich so machtlos, wie sie glauben?

Wir lauschten gespannt den ersten Seiten von „Halbgott 1“: „Der eigentliche Herr des Waldes bin ich, dachte er. Denn wer, wenn nicht er, konnte an mehreren Orten gleichzeitig sein? […] Wenn er sich hier oben umsah, fühlte er sich dem Himmel nah und vergaß zuweilen, wo er sich wirklich befand, nämlich tief unter der Erde. Das galt jedenfalls für den größten Teil seines massigen Körpers. Er konnte die Verlängerungen seines Körpers auch zum Baum selbst werden lassen oder zum Pilz.“

Die Macht und Gefährlichkeit des unsterblichen Corbal, der unter der Oberfläche sein Machtgeflecht ausbreitet und geheime Pläne verfolgt, war so gut spürbar, dass uns die Geschichte sofort in ihren Bann zog. Dieses Wesen, halb Pflanze, halb Tier und unsterblich, lockt Menschen an, um sie in Besitz zu nehmen und so aus seinem Gefängnis zu entkommen.

Im nächsten Kapitel geht es um eine Wachablösung durch Amazonenkriegerinnen in der Stadt Mooringen. König, Stadtvogt und Markgraf, Burgen und ein Orden lassen diese Stadt mittelalterlich wirken. Aber es gibt hier auch den Tempel einer Göttin, die eine von insgesamt sieben hohen Gottheiten ist. Das klingt nun eher nach antiker Götterwelt. Der Autor erklärte uns, dass er Aspekte aus verschiedenen historischen Epochen von der Antike bis heute gemischt hat, um das Setting seines Romans zu entwerfen. Auch Mythologien, die ja immer etwas Zeitloses haben, sind ihm wichtig. Es geht ihm weniger darum, eine bestimmte Epoche lebendig werden zu lassen, als darum, menschliche Probleme und menschliche Lösungen zu veranschaulichen. Dabei wird auch sehr schnell deutlich, dass die Lösungen dringend nötig sind, da der Verfluchte Wald in der Nähe der Stadt liegt, welche die Kriegerinnen bewachen sollen.

Waffenschwestern statt Waffenbrüder, eine Hauptfrau anstelle eines Hauptmannes und eine Kriegsgöttin – Neo Helm nimmt das Gendern ernst. Auch ist er an Diversität interessiert und bricht mit traditionellen Rollenzuschreibungen. Er zeigt viele starke Frauencharaktere und auch einfühlsame Männer.

Durch die Lesung wurde deutlich, es sind menschliche Gefühle, welche die Geschichte greifbar machen – Machtgier, Rachegelüste auf der einen Seite und Ohnmacht und Wut auf der anderen. Wir erleben realistische Konflikte, die uns an unsere Welt erinnern. Es geht um Bedrohungen und verlorenen Frieden. Neo Helm erzählt über ernste menschliche und auch politische Themen, die er in einer andersartigen magischen Welt so sichtbar machen will, dass man sie aus einer anderen Perspektive gut sehen kann.

Peter Schäfer alias Neo Helm bei der Lesung, vor ihm sind Exemplare seines Romans aufgestellt.

Peter Schäfer alias Neo Helm bei der Lesung aus „Halbgott“ (Foto: Rabea Farke).

Teil 2: Peters Doppelrolle als Lektor und Autor

Nach der Lesung wurde Autor Neo Helm wieder zu unserem Kollegen Peter Schäfer – und wir stellten ihm Fragen zu seinen Erfahrungen als Lektor, der auch Autor ist. Immerhin betrifft das nicht nur ihn. Einige von uns Lektor*innen sind auch Autor*innen und kennen die Situationen, in denen man sich fragt, welche Rolle man auf der Buchmesse oder bei einer anderen Veranstaltung der Buchbranche einnimmt.
Und was macht man, wenn eine nette Autorenkollegin fragt, ob man mal eben den Roman oder den Klappentext liest und ein paar Tipps gibt? Peter findet, wer sowas fragt und nicht vorhat zu investieren, muss sich mit der Antwort „Liest sich gut“ begnügen. Man sollte eine professionelle Rückmeldung nicht verschenken, auch wenn man plötzlich Teil einer Selfpublishing-Community ist.

Rollenwechsel erschien den Anwesenden eine gute Idee und wichtig. Bei der Arbeit für Kund*innen ist man Lektor*in, bei der eigenen Lesung Autor*in und im Gespräch mit Freund*innen über Bücher darf man auch einfach Leser*in sein. Gibt man eine Rückmeldung zu einem Klappentext, außerhalb des Lektorats, ist es deshalb in Ordnung, sich gemütlich zurückzulehnen und zu sagen: „Gut“, „noch nicht so gut“, „eigentlich nicht spannend“ oder „irgendwie fehlt da noch was“.

Ob man für gute Freund*innen auch mal etwas kostenlos lektoriert, da unterschieden sich die Auffassungen in der abendlichen Diskussion. Für die einen ist das in Ordnung, für die anderen nicht.

Welche Chancen ergeben sich aus der Doppelrolle Autor*in/Lektor*in?

Als Lektor*in hat man häufig ein gutes Gespür dafür, wie wichtig es ist, den jeweiligen Autor*innen das Gefühl zu geben: „Es ist und bleibt dein Text – zu 100 Prozent. Wenn ich ein eigenes Buch will, dann schreibe ich eins.“

Als Lektor*in weiß man, wie wichtig ein professionelles Lektorat, Korrektorat und Layout für ein Buch sind. Auch Peter nimmt professionelle Hilfe in Anspruch und lektoriert oder korrigiert nicht selbst. Er hat für seine Lektorin Maike Frie einen Fragenkatalog mit „Bitte achte auf …“ erstellt, und das hat sehr gut funktioniert. Er bat sie, besonders auf Widersprüche in der Dramaturgie zu achten.
Das zeigt: Wenn man auch die Seite des Lektorierens kennt, weiß man einfach sehr gut, dass und wie man beim Lektorat unterschiedliche Schwerpunkte setzen kann.

Teil 3: Was gibt es für Geschäftsfelder, die Lektor*innen als Beratung von Selfpublisher*innen anbieten könnten?

Als Lektor*innen wissen wir, dass Selfpublishing gerade für Debütautor*innen oft die beste Wahl ist. Peters Haltung als Lektor und Rat an seine Kolleg*innen ist daher: Kenne die Welt des Selfpublishing!
Um sich ins Thema einzuarbeiten, eignen sich die Zeitschriften Selfpublisher und Federwelt und auch diverse Podcasts. Und natürlich eine Mitgliedschaft im Selfpublisher-Verband. Im Rahmen des kollegialen Coachings nannte Peter auch einige Geschäftsfelder, um die Lektor*innen ihr Angebot im Bereich Selfpublishing erweitern können:

  • Titelfindung mit Genreorientierung
  • Covercoaching: Peter empfiehlt allen Autor*innen ein professionelles Cover. Erst sich selbst informieren, etwa 200 Cover aus dem eigenen Genre studieren und sich eine Vorstellung machen und dann mit konkreten Vorstellungen mit einem Designer zusammenarbeiten.
  • Genremix: Kann man Genres mischen? Wenn ja: Wie geht das? Und wie vermarktet man diese Mixtur? Mit diesen Fragen sehen sich Lektorierende immer wieder konfrontiert.
  • Korrektorat oder Abschlusskorrektur
  • Beratung zum Veröffentlichungsprozess
  • Keyword-Beratung für die Amazon-Verkaufsseite
  • Klappentexte
  • Aufbau einer Autor*innenmarke (Onlinepräsenz: Website, Instagram, Facebook, TikTok, Newsletter, Buchtrailer)
  • Werbung während und nach der Veröffentlichung. Auch Werbetexte.

Peter betonte außerdem die Bedeutung des Offline-Marketings. Es sei wichtig und erholsam auch mal offline zu sein, Lesungen in Buchhandlungen und auf Messen zu geben und mit den Lesenden ins Gespräch zu kommen. Das erweitert nicht nur den Horizont der Leser*innen, sondern auch den eigenen.

Fazit des Abends: Es geht immer um Lebensnähe, um menschliche Probleme und Lösungen. Egal ob man sie in die fremden Welten eines Fantasyromans hineinwebt, sie beim Lektorieren eines Romans aufschlüsselt oder gemeinsam mit den Autor*innen beim Coaching findet. Die emotionalen Abenteuer der Charaktere im Roman bewegen uns und oft auch die Autor*innen. Und letztlich ist das alles ein großes Abenteuer, an dem wir hoffentlich immer mit Freude teilnehmen.

Text: Rabea Farke
Redaktion: Cornelia Thoellden
Korrektorat: Sibylle Schütz
Bilder: Rabea Farke

Rabea Farkes Website und Profil im VFLL-Lektoratsverzeichnis
Peter Schäfers Website und Profil im VFLL-Lektoratsverzeichnis
Neo Helm: Halbgott 1

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