Mikrotypografie ist weder besonders beliebt noch bekannt – wie zahlreiche Speisekarten und Werbeschilder beweisen. „So setzen Sie Zeichen! Grundwissen Mikrotypografie in 15 Schritten“ von Christian Stang will Abhilfe schaffen. Mit einer unterhaltsamen Schreibe und spielerischen Illustrationen wird das eher trockene Thema für den Laien anschaulich präsentiert. Das 48-Seiten-Heft eignet sich vor allem fürs schnelle Nachschlagen.
„So setzen Sie Zeichen!“ ist der Titel des Buches von Christian Stang, das im österreichischen Praesens-Verlag erschienen ist. Und genau dieses Zeichensetzen macht das Buch auch aus. Vorweg kann man sagen: Es eignet sich vor allem für den Einstieg oder auch zum schnellen Nachschlagen. Der Inhalt gliedert sich in 15 Schritte, die jeweils Lektionen zu einzelnen Gegenständen der Mikrotypografie sind. Jeder Schritt enthält Erläuterungen, Beispiele und einen Kasten für „Fortgeschrittene“.
Generell ist der Autor um eine flotte Schreibe und eine lebendige Sprache bemüht, kleine Merkbeispiele verlebendigen Satzschlusszeichen oder Auslassungspunkte. Es menschelt sehr in diesem Büchlein – manchmal auch ein wenig zu viel. Natürlich, Mikrotypografie ist nicht Everybody’s Darling – viele Speisekarten, Werbeschilder und Schaufensterbeschriftungen machen das sehr deutlich. Aber sie ist eben auch nicht sterbenslangweilig. Das Buch übt vorauseilenden Gehorsam, man kommt sich schnell vor wie ein gelangweilter Schüler, dem der Stoff mundgerecht aufbereitet wird. Zitat: „Nach der schwer verdaulichen Kost in puncto Mikrotypografie im letzten Kapitel wir das Folgende zum Kinderspiel.“
Manchmal hagelt es für meinen Geschmack zu viele Kalauer, etwa beim Schrägstrich: „Für dieses Kapitel müssen Sie nicht in die Schrägansicht wechseln! Es geht schließlich nur um den von links unten nach rechts oben wandernden Strich: den Schrägstrich.“ Nichts gegen das unterhaltsame Schreiben, bloß: Die chronisch Gelangweilten und Uninteressierten werden das Buch ohnehin verschmähen. Ob das Buch genervte Büromitarbeiter erreichen soll, die sich nicht freiwillig mit dem Thema beschäftigen, oder als kleiner Allrounder für den weihnachtlichen Gabentisch gedacht ist – so richtig klar wird die Zielgruppe nicht.
Lektoren und Lektorinnen mit Berufserfahrung gehören in jedem Fall nicht dazu. Der Inhalt wird zwar solide und anschaulich vermittelt, alles bleibt aber sehr grundsätzlich. Es gibt weder Zweifelsfälle noch unklare oder schwierigen Beispiele. Auch der „Fortgeschrittenen“-Kasten verpackt und gliedert nur weitere grundlegende Aspekte eines Schrittes. Wo sich Regeln oder Normen widersprechen, werden die Alternativen nebeneinander präsentiert – ohne Empfehlungen. Das Buch wertet nicht, es positioniert sich auch nicht.
„So setzen Sie Zeichen!“ ist ein kleines, gut geschriebenes Heft und bietet einen ersten, grundlegenden Überblick über das Feld der Mikrotypografie. Illustrationen sorgen für Auflockerung, sie binden Elemente der Mikrotypografie auf spielerische Weise ein. Man kann alle Standardfälle schnell nachschlagen, darüber hinaus bietet das Buch in Zweifelsfällen allerdings keine Orientierung.
Ich selber nutze regelmäßig den inzwischen nur noch antiquarisch lieferbaren Duden-Ratgeber „Komma, Punkt und alle anderen Satzzeichen“, der die gleichen typografischen Grundfragen behandelt und sich dazu noch positioniert. Der Nachfolger dieses Buch ist der „Duden Ratgeber – Handbuch Zeichensetzung“. An beiden Werken war übrigens Christian Stang als Autor beteiligt. Die Duden-Ratgeber sind umfassender (256 statt den 48 Seiten der Praesens-Ausgabe), aber auch trockener. Man hat ein wenig den Eindruck, dass Christian Stang hier den Auftrag hatte, seine geballte Kompetenz humorvoll und frisch unter Beweis zu stellen. Die Frage nach der Zielgruppe jedoch bleibt – und das seltsame Bild, wie jemand am Weihnachtsbaum den lustigen Detailtypografie-Ratgeber auspackt und sich räuspernd windet: „Ach, das … kann man aber wirklich immer brauchen!“
Christian Stang: So setzen Sie Zeichen! Grundwissen Mikrotypografie in 15 Schritten. Praesens-Verlag, Wien, 2016. 48 Seiten, Euro 6,60, ISBN 9783706908689
Online erhältlich z. B. bei buch7.de oder direkt beim Verlag.
Christian Wölleckes Website und Profil im Lektorenverzeichnis
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Christian Stang erweckt in seinem Büchlein leider den Eindruck, die »Schreib- und Gestaltungsregeln für die Textverarbeitung« (DIN 5008, für Büro und Verwaltung) und die Regeln für den Schriftsatz (für den Buch- bzw. Auflagendruck) wären gleichberechtigte Normen, zwischen deren Regeln jeweils eine Wahl zu treffen wäre. Das dürfte Einsteiger in das Thema an den typischen Stolperstellen ratlos machen: bei mehrteiligen Abkürzungen, Datum und Uhrzeit, Streckenstrich, Bis-Strich, Prozent- und Promillezeichen sowie bei den Telefonnummern.