Einen Roman in nur einem Satz auf den Punkt bringen – ist das nicht die Quadratur des Kreises? Was für viele Leser nach einer unlösbaren Aufgabe klingen dürfte, ist für einen Autor eine wichtige Übung und unerlässliche Marketingmaßnahme. Warum Autoren einen solchen Pitch brauchen, wie er gelingen kann und was die Rolle einer Lektorin dabei ist, das weiß Andrea Weil dank ihrer Erfahrung mit beiden Rollen ganz genau. Am 17. März 2018 spricht sie darüber mit Hans Peter Roentgen im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Handwerk Selfpublishing“ auf der Leipziger Buchmesse. Vorab verrät sie schon ein paar Tipps im Lektorenblog.
Gesprächsreihe Handwerk Selfpublishing: Der Pitch – ein Satz als Lockvogel
Andrea Weil kennt die Textarbeit gleich von drei Seiten: Sie ist Journalistin, Autorin von Sachbüchern und Romanen und Lektorin. Dabei beschäftigt sie sich am liebsten mit Natur und Umwelt – und ist gern ganz nah dran an ihren Themen: zum Beispiel in ihrem Praktikum als Welpenbetreuerin im Wolfcenter Dörverden oder auf Reisen rund um die Welt.
Der Pitch für einen Roman – also eine kurze, knackige Zusammenfassung in nur einem oder wenigen Sätzen – ist ihr Thema in der Gesprächsreihe „Handwerk Selfpublishing“, die der Selfpublisher-Verband und der VFLL gemeinsam auf der Leipziger Buchmesse veranstalten. Und wie sie uns im Interview am Beispiel ihres eigenen Romans eindrucksvoll demonstriert, weiß sie, was einen guten Pitch ausmacht.
Warum brauchen Autoren einen Pitch?
Eine gute Geschichte zu schreiben, genügt nicht, man muss sie auch an die Frau und den Mann bringen. Ob man einen Verlag überzeugen will oder als Selfpublisher den Leser direkt: Der Pitch kann nach dem Titel der zweite Schritt sein, der darüber entscheidet, ob ein Exposé weitergelesen oder die nächste Buchempfehlung angeklickt wird. 2016 haben deutsche Buchverlage fast 85.500 Titel herausgebracht, ausgesiebt aus unzähligen Einsendungen. Wie viele Selfpublisher-Titel erschienen sind, kann niemand genau sagen. Von dieser Masse muss man sich erst einmal abheben. Dazu kommt die Konkurrenz zu Internet, Fernsehen und Radio. Man kann darüber schimpfen, aber sich selbst und seine Geschichte zu vermarkten, ist für jeden Autor wichtig. Deshalb lohnt es, sich mit Pitch, Klappentext und Exposé auseinanderzusetzen, auch wenn es schwer fallen mag. Es wäre doch zu schade, wenn geniale Geschichten in der Schublade versauern, weil ihr Schöpfer sie nicht gut angepriesen hat.
Was entgegnest du einem Autor, der dir sagt: „Mein Roman in einem Satz? Keine Chance! Viel zu komplex.“
In meiner Erfahrung lässt der Autor, der eine solche Zusammenfassung nicht hinbekommt, auch in seinem Manuskript den roten Faden vermissen. Eine Geschichte darf gern komplex sein, aber sie darf den Leser nicht heillos verwirren. Deshalb solltest du als Autor dringend wissen, was der Kern deiner Geschichte ist. Nur so kannst du auch einen Verleger oder einen Leser davon überzeugen. Aber keine Sorge: Ein Pitch darf sogar aus zwei oder drei Sätzen bestehen. Nur eben kurzen und einprägsamen.
Wie unterstützt du deine Autoren bei der Suche nach dem perfekten Pitch?
Ich stelle Fragen: Was ist der Ausgangskonflikt, der die Geschichte in Bewegung setzt? Was ist der Wendepunkt, der alles verändert? Was macht das mit deiner Hauptfigur? Gibt es Gegensätze, die sich anbieten: das unsterbliche Einhorn und der unfähige Zauberer? Es gibt verschiedene Formeln, wie man einen Pitch aufbauen kann. Darüber hat ja der großartige Kollege (und mein Lehrmeister in diesem Punkt) Hans Peter Roentgen einige grundlegende Ratgeber geschrieben. Was ich auf keinen Fall tue: Einen Pitch für den Autor schreiben. Denn es ist sehr wichtig, dass er sich selbst darüber klar wird, was er mit seinem Buch eigentlich sagen möchte. Der Pitch hilft dem Autor, beim Schreiben oder Überarbeiten in der Spur zu bleiben.
Was ist der beste Tipp, den du einem Autor für seinen Pitch geben kannst?
Keine Angst! Versuch gar nicht erst, die ganze Geschichte zusammenzufassen. Wichtiger ist es, dem Leser eine Identifikationsmöglichkeit zu geben. Die Geschichte ist sicher interessant, aber der Leser möchte vor allem mit den Figuren mitfühlen.
Auf deiner Website verrätst du, dass du selbst einen Werwolf-Roman „auf dem neusten Stand der Wolfsforschung“ in der Schublade hast. Pitch doch mal dafür!
„Menschen nennen sie ein Monster und manchmal glaubt sie ihnen. Dabei sucht Werwölfin Isa nur nach jemandem, dem sie vertrauen kann – ob auf zwei oder vier Beinen.“
„…und manchmal glaubt sie ihnen“ könnte man wahrscheinlich streichen, weil es den Lesefluss bremst. Für mich ist es ein wichtiger innerer Konflikt. Deshalb würde ich einen Kollegen fragen, was er dazu meint. Denn wenn es um ihre eigenen Werke geht, sind Lektoren genauso betriebsblind wie alle anderen Autoren auch.
Interview: Felix Wolf
Samstag, 17.3.2018, 16:00 Uhr, Leseinsel Halle 5, Stand D 302
Handwerk Selfpublishing 03: Der Pitch – ein Satz als Lockvogel
Gespräch mit Hans Peter Roentgen und Lektorin Andrea Weil
Die Veranstaltungsreihe zum Thema „Handwerk Selfpublishing“ findet jeden Tag von 16:00 bis 16:30 Uhr in der Leseinsel Halle 5, Stand D 302 statt.
Weitere Infos zu den Veranstaltungen des VFLL auf der Leipziger Buchmesse 2018
Andrea Weil ist freie Lektorin und Mitglied im Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren (VFLL).
Andrea Weils Website und Profil im Lektorenverzeichnis
Weitere Interviews der Reihe Handwerk Selfpublishing:
Lektorat für Selfpublisher: „Ganz sicher ein schwieriger Kunde“
Foto: rund-UM-photo
Pingback: Schreiben will gelernt sein - Eine Linkliste | Kate in writing
Pingback: Schreiben will gelernt sein - Eine Linkliste
Pingback: Schreiben will gelernt sein - Eine Linkliste | Kateastrophy
Pingback: Leipziger Buchmesse: "Selfpublisher und ihre LektorInnen" | VFLL-Blog
Pingback: Hans Peter Roentgen über das Handwerk Selfpublishing | VFLL-Blog
Pingback: Ins Kopfkino mit Isabell Schmitt-Egner | Lektorenblog