Lektorat für Selfpublisher: „Konstruktiver Dialog“

Auch 2018 gibt es auf der Buchmesse Leipzig wieder eine gemeinsame Veranstaltungsreihe vom VFLL und dem Selfpublisher-Verband. In diesem Jahr drehen sich die Gespräche ums Thema Handwerk Selfpublishing. Vorab stellen wir hier im Blog die Expertinnen und Experten mit ihren Themen vor. Wir starten mit Florian Tietgen.

Gesprächsreihe Handwerk Selfpublishing: Was dem Lektorat auffällt

VFLL-Kollege Hans Peter Roentgen und Florian Tietgen beginnen die Reihe am ersten Messetag mit einem halbstündigen Gespräch zu „Was dem Lektorat auffällt“.

Florian Tietgen, Jahrgang 1959, arbeitet als Autor, Lektor und Coach für Lesungsgestaltung und Lesungen. Er ist Mitbegründer der Autorenplattform Qindie und dort verantwortlich für die Qinterviews und den Auftritt bei G+. Zum körperlichen Ausgleich trainiert er vier Fußballmannschaften.

Warum benötigen die Texte von Autoren überhaupt ein Lektorat?
Die meisten Autoren kennen es: Lesen sie ihren Text nach zwei Jahren noch einmal, fallen ihnen entsetzlich viele Dinge auf, von denen sie sich fragen, wie sie die übersehen konnten. Das ist gut so, denn sie haben sich weiterentwickelt, sowohl als Mensch als auch als Autor. Sie haben einen anderen Blick und durch den Abstand vielleicht auch einen unvoreingenommenen Zugang zu ihrer Geschichte.

Ein Lektorat kann diesen Abstand sofort bieten und dadurch auch den Produktionsprozess verkürzen. Und das kann es deutlich tiefer, als es Testleserinnen und Testleser können (die ich dennoch für sehr hilfreich halte), da im Lektorat neben dem Leseerlebnis auch das Handwerk betrachtet wird.

Was gehört zu den zentralen Aufgaben im Lektorat, was fällt dem Lektorat auf?
Die Aufgaben befinden sich durch das Selfpublishing im Wandel. Früher gehörten ganz klar Beurteilungen nach Marktchancen und Verlagsprogramm dazu. Im Selfpublishing kann eine Lektorin/ein Lektor Autoren sicher auch dazu etwas sagen, letztlich sind die Schriftsteller dort thematisch und gestalterisch aber unabhängiger. Die Lektorin bzw. der Lektor ist in erster Linie Ratgeber, was den grundlegenden Aufbau, die Struktur eines Projekts betrifft, beurteilt die generelle Lesbarkeit, Satzstellungen und Satzlogik, recherchiert Detailangaben noch mal und schaut auf Bezüge und Grammatik. Die Lektorin bzw. der Lektor kann dem Autor Verständnisfragen stellen und ihn im konstruktiven Dialog zur erneuten Auseinandersetzung mit seinem Text bringen.

Als Autor und Lektor kennen Sie beide Seiten: Gibt es den typischen Fehler, den alle Autoren machen?
Nein. Es gibt zwar so ein paar Klischees von typischen Dingen, die Autoren zu Beginn gern tun, aber die entstehen meist, weil ein paar es mal getan haben. „Irgendwo bellt ein Hund“ ist so eine Formulierung, die gern als typischer Anfängersatz betrachtet wird, aber nicht mal der ist ja grundlegend falsch, nur halt nicht immer passend. Ein weiteres Klischee ist die „sofortige Rückblende“, ein Zeitsprung, noch bevor der Leser sich auf den Protagonisten einlassen konnte. Das passiert tatsächlich oft, aber zum einen machen es nicht alle Autoren, zum anderen kann, richtig angewandt, auch eine solche Rückblende ja dem Leser helfen, eine Figur kennenzulernen und sich mit ihr zu identifizieren.

Ich stelle eher oft fest, dass die meisten Autoren so einen für das entsprechende Buch typischen Fehler haben, im nächsten dann einen anderen. Und selbst das hat, obwohl ich es als Fehler anmerke, ja durchaus etwas Positives, denn dieser Wechsel in den „Lieblingsfehlern“ oder „Lieblingswortwiederholungen“ zeigt ja, dass Autoren pro Buch einen eigenen Sprachklang, eine eigene Satzmelodie und einen eigenen Rhythmus wählen.

Ein Lektorat könne Abstand bieten und dadurch auch den Produktionsprozess verkürzen, so Florian Tietgen. Foto: Regina Mengel

Wie kann eine Lektorin bzw. ein Lektor beim Optimieren eines Skripts unterstützen?

Sie können Fragen stellen. Für Autoren ist das manchmal nervig, vor allem wenn sie der Überzeugung sind, es stünde doch alles schon im Buch. Aber im Grunde setzen sich Lektorinnen bzw. Lektoren so tief mit dem Text auseinander, wie es sich die meisten Autoren nur erträumen können.

Sie können auf missverständliche Formulierungen aufmerksam machen oder auf inhaltliche Schwächen. Und sie können immer wieder Vorschläge machen. Das ist ein schmaler Grat, denn natürlich möchte man dem Autor alle Ideen und Vorschläge zukommen lassen, schließlich wird man dafür bezahlt. Aber der Autor möchte sich dabei nicht an die Wand gedrückt fühlen, möchte sein Werk wiedererkennen und vor allem nicht den Eindruck vermittelt bekommen, er könne gar nicht schreiben oder erzählen. Und bei zu vielen Anmerkungen bekommt er den leicht.

Als Autor bin ich da ganz sicher ein schwieriger Kunde.  ?

Interview: Katja Rosenbohm


Donnerstag, 15.3.2018, 16:00 Uhr, Leseinsel Halle 5, Stand D 302
Handwerk Selfpublishing 01: Was dem Lektorat auffällt
Gespräch mit Hans Peter Roentgen und Florian Tietgen

Die Veranstaltungsreihe zum Thema „Handwerk Selfpublishing“ findet jeden Tag von 16:00 bis 16:30 Uhr in der Leseinsel Halle 5, Stand D 302 statt.

Weitere Infos zu den Veranstaltungen des VFLL auf der Leipziger Buchmesse 2018

Großes Foto (Beitragsbild): Leipziger Messe/Ulrich Koch

Ein Gedanke zu „Lektorat für Selfpublisher: „Konstruktiver Dialog“

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