Seins oder nicht seins?

Symposium der Deutschen Literaturkonferenz zum Urheberrecht auf der Leipziger Buchmesse

Von Susann Wendt

Um es gleich vorweg zu sagen: Diese lyrische Überschrift stammt nicht von mir, sondern von einem Redakteur des Hamburger Abendblatts … doch Moment mal, vielleicht auch von einem Journalisten der Süddeutschen, wie ich gerade sehe. Oder am Ende gar aus dem Tagesspiegel? Darin ist sie nämlich auch zu lesen. Eigenartig. – Da hab ich wohl etwas aufgedeckt.

Vom Schmücken mit fremden Federn

„Originalität ist [eben] meistens nichts anderes als ein noch nicht entdecktes Plagiat.“ Das stellte schon der große Aufklärer Voltaire fest, dessen Bonmot ich hier zum Glück ganz frei von der Befürchtung einer Abmahnung ohne vorherige Nachfrage einfach so veröffentlichen kann, da er bereits mehr als 70 Jahre tot ist (§ 64 UrhG). Doch die Herren Journalisten befinden sich in bester Gesellschaft. Ob William Shakespeare, Heinrich Heine oder Bertolt Brecht – das Personenregister der Literaturgeschichte verzeichnet so einige klangvolle Namen von Schriftstellern, die sich auch gerne mal an den Elaboraten ihrer Kollegen bedienten, um sich Ruhmvolles anzudichten. Der Literaturwissenschaftler Philipp Theisohn füllte mit Fällen dieser von der Antike bis ins heutige digitale Zeitalter gängigen Praxis gar ein ganzes Werk mit dem einfallsreichen Titel „Plagiat. Unoriginelle Literaturgeschichte“[1].

Das ist hier die Frage …

Aber wo beginnt denn eigentlich der Ideenklau im juristischen Sinne? Was gilt noch als freie Benutzung? In welchen Fällen muss die Zustimmung des Urhebers eingeholt werden? Kann schon der Erzählstrang einer Novelle geschützt sein? Wie verhält es sich zum Beispiel mit  der Übernahme fiktiver Figuren aus einem fremden Werk oder der Fortsetzung eines Romans durch einen anderen Autor wie in der Fanfiction? – Mit diesen Fragen befasste sich am 12. März auf der gerade zu Ende gegangenen Leipziger Buchmesse ein Symposion der Deutschen Literaturkonferenz e. V., einem Zusammenschluss der für das literarische Leben in Deutschland wichtigen Verbände und Institutionen, zu dem auf der VFLL gehört. Unter der Überschrift „Freiheit der Idee vs. Schutz von Schriftwerken“ referierten die Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2009 Kathrin Schmidt, der Leiter der Rechteabteilung von Random House Rainer Dresen, Dr. Lisa Kopp, deren Dissertation der Veranstaltung ihren Namen gab, sowie Prof. Dr. Malte Stieper von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg über die literarischen und juristischen Aspekte des Urheberrechts.

Geht: Shakespeare (Foto: G. Füßle)

Geht: Shakespeare (Foto: G. Füßle)

Von Aaron Swartz bis Unionsrecht

Kathrin Schmidt stellte in ihrem Beitrag den spektakulären Fall des US-amerikanischen Wunderkindes und Internetaktivisten Aaron Swartz ins Zentrum, der im Kampf um den freien Zugang zu Wissen wegen systematischen Downloads angeklagt wurde und sich mit 26 Jahren das Leben nahm – ihm drohten 35 Jahre Haft.

Rechtsanwalt Rainer Dresen erläuterte nach einer sehr eingängigen Generalübersicht über das Urheberrecht viele Streitfälle aus der Verlagspraxis, die zeigen, wie schwierig die Abgrenzung zwischen reiner Inspiration und Urheberrechtsverletzung häufig ist.

Dr. Lisa Kopp, die in ihrer Doktorarbeit den im Urheberrecht nicht definierten Begriff der „Idee“ untersuchte, versuchte sich diesem anhand von 8 Thesen zu nähern und betonte wiederholt am Beispiel von J. R. R. Tolkiens Fantasiewelt die Wichtigkeit des im Urheberrecht ungeschriebenen Grundsatzes, dass die Idee an sich im Interesse der kulturellen Entwicklung nicht monopolisiert werden dürfe.

Der unter anderem Recht des geistigen Eigentums an der Universität Halle lehrende Prof. Dr. Malte Stieper brachte schließlich noch die europäische Perspektive des Urheberrechts in die Veranstaltung ein und setzte sich mit der Abgrenzung von Werknutzung und freier Benutzung aus Sicht des Unionsrechts auseinander.

Shakespeare und kein Ende – das Fazit

Auch ohne in der abschließenden Diskussion die betreffenden Paragrafen in all ihren Tonarten zu psalmodieren, wurde letztlich deutlich, dass sich trefflich über Urheberschaft streiten lässt. Wie so häufig ist hier Vieles Auslegungssache. Am Ende läuft es in einem Urheberrechtsstreit fast immer auf einen direkten Vergleich der Werke auf Wortebene hinaus. Ob nun Autor oder Lektor – im Zweifelsfall also immer besser nachfragen oder aber darauf hoffen, dass es der Urheber hält wie Theodor Fontane: „Über Plagiate sollte man sich nicht ärgern. Sie sind wahrscheinlich die aufrichtigsten aller Komplimente.“

 

 

[1] Philipp Theisohn: Plagiat. Eine unoriginelle Literaturgeschichte, Stuttgart 2009.

Ein Gedanke zu „Seins oder nicht seins?

  1. Stefan Wendt

    Eine sehr gute Zusammenfassung zu einem brisanten Thema. Wann liegt ein Plagiat vor, wie weit kann ein Autor gehen, warum steht jemand plötzlich mit schmucken fremden Federn da?

    Glückwunsch zu diesem Artikel.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert