VFLL-Vorsitzende Claudia Lüdtke

VFLL-Vorsitzende Claudia Lüdtke stellt sich vor

Claudia Lüdtke engagiert sich nach zwei Jahren Pause erneut im VFLL-Vorstand – dieses Mal im Amt der Vorsitzenden. Wie sich der Verband in den letzten Jahren verändert hat, welche Herausforderungen sie für die nächsten Jahre sieht und warum ihr die Vorstandsarbeit trotz aller Anstrengungen so viel Freude bereitet, berichtet sie im Interview.

Du hast in der Vergangenheit schon einmal im Vorstand gearbeitet. Was hat dich nach deiner letzten Amtszeit motiviert, erneut im Vorstand mitzuarbeiten?

Mir hat die Vorstandsarbeit immer Spaß gemacht, sie kostet aber auch viel Zeit und Kraft. Nach vier Jahren im Vorstand (2018–2022) habe ich daher erst mal eine Verschnaufpause gebraucht. Als im letzten Jahr Kandidat*innen für die Vorstandswahl gesucht wurden, kam in einem Gespräch mit Julia Hanauer die Idee auf, dass wir gemeinsam kandidieren und nach Mitstreiter*innen suchen könnten. Und es haben sich außer uns beiden tatsächlich fünf weitere tolle, sympathische, kompetente Kolleginnen gefunden, mit denen wir jetzt das Vorstandsteam bilden. Das produktive Zusammenwirken mit den anderen – damit meine ich auch die vielen anderen aktiven Mitglieder, die unseren Verband gestalten, beleben, weiterentwickeln – ist ein wichtiger Motivationsfaktor für mich.

Was hat sich aus deiner Sicht im Verband verändert, seit du das letzte Mal im Vorstand warst?

Als ich 2018 zum ersten Mal gewählt wurde, hat sich der Vorstand einmal pro Woche zu einer Telefonkonferenz getroffen. Einige Zeit später haben wir angefangen, Zoom zu nutzen. Dann kam die Pandemie und wir waren sehr froh, dass wir Verbandsarbeit und -leben durch Videokonferenzen aufrechterhalten konnten. Aber nicht nur das: Der VFLL hat durch die neuen technischen Möglichkeiten einen richtigen Schub erhalten. In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Netzwerke und AGs entstanden, die sich online treffen. Wir haben Arbeitstagungen, Mitgliederversammlungen und Fachtagungen virtuell durchgeführt. Das Fortbildungsprogramm ist durch Online-Angebote enorm ausgebaut worden. Darüber hinaus gibt es neue überregionale Formate wie den VFLL-Salon und die Willkommensveranstaltungen für Neumitglieder. All das ist toll und erfreulich, gleichzeitig spüren wir auch im VFLL Beschleunigungseffekte, die mit der Digitalisierung einhergehen. Wir merken, dass wir unsere Verbandsstrukturen den Veränderungen anpassen müssen.

Wie habt ihr die Arbeit verteilt? Wofür bist du verantwortlich?

Im Vorstand koordiniere ich den Bereich Lobby, Arbeit und Soziales. Kurz nach den Vorstandswahlen hat sich die von Johanna Schwering geleitete AG Arbeit und Soziales gegründet. Mit der AG arbeiten wir eng zusammen und suchen nach Möglichkeiten, die Honorarsituation und Arbeitsbedingungen freier Lektor*innen zu verbessern. Dazu wollen wir uns stärker als bisher mit anderen Berufsverbänden und Akteuren der Buchbranche vernetzen. Zudem sondieren wir derzeit Kooperationsmöglichkeiten mit ver.di.

Mein zweiter Zuständigkeitsbereich ist die Organisationsentwicklung. Vor dem Hintergrund der wachsenden Mitgliederzahlen und des Digitalisierungsschubs haben wir einen Prozess zur Organisationsentwicklung begonnen, der von einem Koordinationsteam begleitet wird. Ziele sind dabei unter anderem, Ehrenämter attraktiver zu machen, Aktive zu entlasten, Strukturen zu klären und mehr Transparenz in Entscheidungsprozessen zu schaffen.

Was möchtest du in die Vorstandsarbeit einbringen?

In den ersten Monaten unserer Vorstandszeit habe ich mein Wissen über Abläufe der Vorstandsarbeit und die Verbandsstrukturen eingebracht. Wir sind schließlich als komplett neues Vorstandsteam gestartet. Da war es gut, dass Annette Gillich-Beltz und ich in Vorstandsdingen nicht ganz unbeleckt waren. Darüber hinaus möchte ich fördern, dass wir die Vorstandsarbeit transparent gestalten und den Dialog mit den Mitgliedern aktiv suchen, um eine Vielzahl an Perspektiven in unsere Entscheidungen miteinzubeziehen.

Was an deiner Arbeit im Vorstand inspiriert dich besonders?

Mich gemeinsam mit anderen für eine Sache einzusetzen – in unserem Fall die Interessen der freien Lektor*innen –, das inspiriert mich sehr. Und es begeistert mich zu erleben, wie kleine Dinge Größeres ins Rollen bringen können. In meiner Aktivenzeit im VFLL habe ich immer wieder beobachtet, wie sich aus einer Idee, einem Gespräch oder einer Begegnung Neues entwickelt hat, manchmal mit Auswirkungen auf den gesamten Verband.

Welche Herausforderungen siehst du in den nächsten beiden Jahren und wie möchtest du diese angehen?

Eine Herausforderung habe ich eben schon beschrieben: Wir müssen unsere Verbandsstrukturen überprüfen und an einigen Stellen nachjustieren. Der Organisationsentwicklungsprozess ist dafür ein Lösungsansatz. Auch die Altersstruktur im VFLL wird Veränderungen erforderlich machen. Mehr als die Hälfte der Mitglieder sind über 50 Jahre alt, 30 Prozent sogar über 60. Das bedeutet, viele werden in den nächsten Jahren in Rente gehen. Wir müssen uns jetzt schon Gedanken über die möglichen Auswirkungen machen: Wie gehen wir mit dem Rückgang von Mitgliederzahlen und den damit verbundenen sinkenden Einnahmen um?

Eine weitere Herausforderung sehe ich im Wandel unseres Berufsbildes durch KI. Als Berufsverband müssen wir zum einen unseren Mitgliedern Möglichkeiten bieten, sich zum Umgang mit der neuen Technik fortzubilden. Zum anderen müssen wir die Unterschiede zwischen maschinellem und menschlichem Lektorat deutlich machen und begründen, warum es nicht ausreicht, die KI über den Text laufen zu lassen. Das ist existenziell, auch mit Blick auf unsere Einkommenssituation.

Damit verbunden ist Herausforderung Nummer drei: Wie können wir uns als VFLL für faire Honorare und Arbeitsbedingungen einsetzen? Hier werden wir mehr erreichen, wenn wir gemeinsam und solidarisch handeln. Nicht nur im Verband, sondern auch darüber hinaus. Daher haben wir begonnen, uns noch stärker mit anderen Berufsverbänden und anderen Kooperationspartnern zu vernetzen. Dabei profitieren wir vom Austausch, gleichzeitig streben wir an, eine stärkere Lobby für die Soloselbstständigen aus der Textbranche aufzubauen.

Wenn du den VFLL in einem Satz beschreiben müsstest, wie würde er lauten?

Ein großartiges Netzwerk, ein riesiger Wissenspool rund ums Lektorat, kollegiales Miteinander – all das ist der VFLL.

Was ist dein Schwerpunkt im Lektorat? Hast du daneben weitere Standbeine? Wenn ja, welche?

Ich arbeite hauptsächlich für Schulbuchverlage und betreue als Außenredakteurin schwerpunktmäßig Materialien für den Inklusionsunterricht. Verbunden damit beschäftige ich mich mit Einfacher Sprache und biete Workshops dazu an. Ein zusätzliches Standbein ist die Schlussredaktion für Publikationen aus der Unternehmenskommunikation.

Liest du in deiner Freizeit? Wenn ja, was?

Ja, ich lese viel, vor allem Belletristik. Weil ich Romanfiguren gern möglichst lange begleite, mag ich Romanreihen sehr, zum Beispiel den siebenbändigen Romanzyklus „Das Büro“ von J. J. Voskuil. Irgendwann waren jedoch diese Bände ausgelesen, aber zum Glück gibt es einige Spin-offs wie Voskuils „Die Nachbarn“, die ich zurzeit lese. Als Finnlandfan lese ich auch viel finnische Literatur. Hier hat mich in der letzten Zeit am meisten Volter Kilpis „Im Saal von Alastalo“ in der tollen Übersetzung von Stefan Moster begeistert. Mit über 1100 Seiten auch ein dicker Wälzer, der langsam gelesen werden will: Die Handlung spielt nur an einem einzigen Nachmittag und entfaltet den Kosmos des Lebens in den finnischen Schären im 19. Jahrhundert.

Welche (anderen) Hobbys hast du?

Ich spiele Klavier und im Sommer mache ich Radtouren im Berliner Umland, im Urlaub auch mehrwöchige Radreisen. Vor zwei Jahren habe ich meine Leidenschaft fürs Sprachenlernen wiederentdeckt und angefangen, Finnisch zu lernen. Zum Vertiefen reicht die Zeit momentan allerdings nicht aus – ich hoffe, das wird sich wieder ändern.

Interview: Katja Rosenbohm
Korrektorat: Sibylle Schütz
Beitragsbild: Claudia Lüdtke, (c) Mike Schmidt


Mehr Infos zum Vorstand auf der VFLL-Website
Weitere Infos zur Organisationsstruktur auf der VFLL-Website


Claudia Lüdtkes Website und Profil im VFLL-Lektoratsverzeichnis


Weitere Interviews mit dem Vorstand:
Zum Interview mit Leonie Adam
Zum Interview mit Julia Hanauer
Zum Interview mit Corina Alt


Mehr zur VFLL-Fachtagung / Mitgliederversammlung 2024:
Gemeinsam Zukunft gestalten: Eindrücke von der VFLL-Fachtagung und Mitgliederversammlung 2024

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