Wer professionell Texte und Wörter lektoriert, kommt um das Thema Word-Format- und Dokumentvorlagen meist nicht herum. Gekonnt eingesetzt, erleichtern und beschleunigen sie unsere Arbeit. Doch Hand aufs Herz: Was die Technik angeht, wursteln wir uns alle irgendwie durch. Und vertun damit viel Zeit und Energie. VFLL-Kollege Walter Greulich, der besonders als Technik-Profi und Seminarleiter bekannt ist, hat ein Handbuch zu den komplexen Word-Programmen (2010, 2013, 2016) veröffentlicht. Was dieses Handbuch leisten will, berichtet Walter Greulich im folgenden Interview.
Um was für ein Werk handelt es sich?
„Dokument- und Formatvorlagen für Word 2016, 2013 und 2010“ ist ein Leitfaden für alle, die sich professionell mit dem Programm auseinandersetzen müssen. Es soll als Lehr- und Lernbuch dienen, will aber auch ein Handbuch zum Nachschlagen sein.
Hat dieses Buch mit den Word-Seminaren zu tun, die du im VFLL leitest?
Ja, ich verstehe mich als Sprachrohr für alle VFLL-Mitglieder, die in den letzten 15 Jahren meine Seminare zum Thema „Word“ besucht haben. Es fällt den meisten von uns schwer, Probleme zu einem Handwerkszeug zu beschreiben, das ja nur eine rein technische Hilfe bei der eigentlichen Arbeit, dem Lektorieren und Korrigieren, darstellt. Ich habe versucht, aus dieser Problematik heraus konkrete Fragen zu entwickeln und Antworten darauf zu geben. Insofern sind alle TeilnehmerInnen der Seminare in irgendeiner Form am Buch beteiligt, zumindest als Ideengeber. Die Seminare und die zahlreichen Fragen, auch in der Mailingliste des Verbandes, waren der Auslöser für die Überlegung, ein umfassendes Buch zu schreiben.
Wie bist du auf das Thema gekommen?
Das Thema selbst begleitet mich seit mehr als 30 Jahren. Zum ersten Mal in Kontakt gekommen bin ich mit Word noch während meiner Verlagszeit Mitte der 1980er-Jahre. Damals gab es nur die DOS-Version, und die Formatvorlagen hießen Druckformatvorlagen, weil mit ihnen Dokumente „wie gedruckt“ aufbereitet werden konnten. Von „What you see is what you get“ (WYSIWYG) war zwar durchaus schon die Rede, aber wir üblichen User konnten nur neidisch auf die Macintosh-Gemeinde schauen, die das alles schon seit 1984 in die Praxis am Computer umsetzen konnte. Meinen ersten eigenen Mac hatte ich 1987, und auf dem lief Microsoft Word! Das Macintosh-Word hat ganz viele Dinge vorweggenommen, die Jahre später allmählich Einzug in die Windows-Welt hielten (das gleiche gilt übrigens für Excel). 1992 wagte ich den riesigen Schritt in die Selbstständigkeit. Aufträge hatte ich zum Glück von Anfang an genug, aber es gab niemanden, mit dem ich mich über meine Probleme austauschen konnte, weder über alltägliche berufliche Dinge noch über Programme. Da war sehr viel experimentieren angesagt. Seit Mitte der 1990er-Jahre scharte ich eine kleine Truppe LektorInnen und RedakteurInnen um mich, was unter anderem den Vorteil hatte, technische Fragen gemeinsam lösen zu können. Die sich langsam ansammelnden Erkenntnisse und Fertigkeiten konnte ich in den Folgejahren an Verlagsangestellte in Inhouse-Seminaren weitergeben.
Was hat dir als erfolgreichem Producer der Eintritt in den VFLL gebracht?
2002 bin ich in den VFLL eingetreten, und das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. In diesem Verband fanden sich lauter Leute wie ich zusammen, ganz ohne Konkurrenzgedanken – einfach nur, um sich auszutauschen und gegenseitig zu helfen. Auch was Word betrifft, fing meine wirklich professionelle Beschäftigung damit ab diesem Zeitpunkt erst an. Wir freien Lektorinnen und Lektoren sind nämlich eine ganz spezielle Truppe von Menschen. Ich möchte behaupten, dass sich niemand so intensiv und tief mit allen Aspekten der Arbeit an publikationsgeeigneten Dokumenten auseinandersetzt, wie wir es tun. Einer dieser Aspekte ist das technische Handwerkszeug. Man könnte fast sagen: Aus wirtschaftlichen Gründen sind wir gezwungen, richtig gut zu sein in Word oder PDF. Denn nur, wenn wir in der Lage sind, gewisse Schritte systematisch, konsistent und konsequent und gleichzeitig schnell in Word vorzunehmen, kommen wir auf unsere Kosten.
Mein erstes Word-Seminar, das ich für den VFLL gehalten habe, werde ich nie vergessen: 2003 in den Räumen der Schulen des deutschen Buchhandels in Frankfurt-Seckbach. Hauptthema waren Dokument- und Formatvorlagen!
Etliche Seminare und neun Jahre später gab es ein VFLL-Word-Seminar in Braunschweig. Microsoft hatte Word vollkommen umgestaltet, und wir alle taten uns schwer mit Word 2010. Und das war im Seminar zu spüren. Auf meiner Fahrt nach Hause wurde der Plan, ein Buch über „Dokument- und Formatvorlagen“ zu schreiben, geboren.
Welche Hauptbotschaft möchtest du mit dem Buch vermitteln?
Ich wünsche mir, dass die Leserinnen und Leser die Vorteile erkennen, die das Arbeiten mit Dokument- und Formatvorlagen mit sich bringt, und daraus die Konsequenz ziehen, diese Methoden anzuwenden. Im zweiten Kapitel beschreibe ich sechs verschiedene Bereiche der Lektoratsarbeit, in denen Dokument- und Formatvorlagen eingesetzt werden. Damit möchte ich dazu anregen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. In den weiteren Kapiteln werden sowohl die Eigenschaften von Dokument- und Formatvorlagen vorgestellt als auch ausführlich erläutert, wann, wie und wozu sie eingesetzt werden können. Besonders wichtig war es mir, Hintergründe zu beleuchten: Wie hängen Dokumentvorlagen mit Formatvorlagen zusammen, welche unterschiedlichen Typen beider Vorlagenarten gibt es, weshalb hat Microsoft diese Vielfalt an Vorlagen entwickelt und wie kann man ihrer Herr werden? Ziel soll es letztlich sein, das Programm Word zu „bändigen“, damit nicht wir uns von ihm leiten lassen, sondern umgekehrt. Der Schlüssel zur Beherrschung des Programms sind in der Tat Dokument- und Formatvorlagen.
War es schwierig, einen Verlag zu finden?
Ja. Nachdem Microsoft Press und später O‘Reilly auf mein Exposé nicht reagierten, war ich verunsichert: Ist mein Buchprojekt schlecht, hat ihnen mein Schreibstil nicht gefallen, ist das Thema zu speziell, werden die Verkaufschancen als zu gering eingeschätzt? Alle Personen aus meiner beruflichen Umgebung, denen ich einige Seiten zeigte, waren dagegen sehr angetan. Doch es wurde immer deutlicher, dass die Zielgruppe nicht allzu groß sein würde. Ich sagte mir: OK, dann versuche ich es auf eigene Faust. Sich als Selfpublisher zu betätigen hat für unsereins ja noch den riesigen Vorteil, den beruflichen Horizont um eine ganz neue Komponente zu erweitern. Im Nachhinein muss ich sagen: Auch das war eine der wirklich guten Entscheidungen in meinem Leben. Letztlich habe ich auch nicht alles allein gemacht. Wie die meisten Selfpublisher habe ich einen Partner gesucht, der sich um das Drucken und den Vertrieb kümmert. Das Marketing ist meine Sache, die macht sogar Spaß.
Wie lange hast du an dem Buch gearbeitet?
Knapp fünf Jahre, wenn man den ersten Gedanken, ein Buch zu machen, als Ausgangszeitpunkt nimmt. Hineingeflossen sind schriftlich niedergelegte Erkenntnisse, Erfahrungen und Überlegungen aus einem Zeitraum von über 20 Jahren. Wahrscheinlich hätte es sogar noch länger gedauert, wenn ich das Manuskript nicht irgendwann der Kollegin Monika Kopyczinski zum Lektorieren gegeben hätte. So weit zu sein, dass lektoriert werden kann, bedeutet, dass die Veröffentlichung nun ernsthaft bevorsteht. Ihre Korrekturhinweise, Fragen und Anmerkungen waren Gold wert und haben die Fertigstellung drastisch beschleunigt, auch weil nun klar war, wie Systematik und Konsistenz hineingebracht werden konnten.
Gab es spezielle Herausforderungen?
Ein Buch zu machen ist eine große Herausforderung. Als wichtigste spezielle Herausforderung (im Vergleich etwa zur Erstellung von Seminarunterlagen) würde ich ansehen, sich immer tiefer und nochmal tiefer in eine Materie hineinzubegeben und nicht aufzugeben, wenn es aus irgendeinem Grund mal nicht weitergeht. Bei einem Buch im Selfpublishing-Verfahren gibt es während einer langen Strecke niemanden, der antreibt, das heißt, hier ist Selbstmotivation gefragt. Eine weitere erwähnenswerte Herausforderung war die Gestaltung des Buches. Dazu gehört die Einrichtung des Satzspiegels, die Auswahl der Schrift, die Festlegung auf einen bestimmten Kastentyp, die Anordnung von Bildern und Tabellen und einiges mehr. Allein mit der Umschlaggestaltung habe ich monatelang gekämpft. Mein Anspruch war, auch das selber hinzubekommen – trotz aller Warnungen, das könne nur eine professionelle Grafikerin schaffen. Ich wollte zeigen, dass selbst grafische Arbeiten mit Word umgesetzt werden können.
Was hat besonders Freude gemacht?
Vermutlich geht es allen, die schreiben, ähnlich wie mir: Zu sehen, wie aus den ersten Überlegungen und niedergelegten Zeilen nach und nach ein Werk wird, das Formen annimmt, das ist einfach wunderbar! Erstaunlich ist auch die Eigendynamik, die sich dabei entwickelt. Selbst bei einem auf den ersten Blick so trockenen Thema wie „Dokument- und Formatvorlagen“ fordert das entstehende Werk seinen Autor ständig und ungefragt auf, hier nochmal umzuformulieren, dort einen treffenderen Ausdruck zu finden, ganze Passagen umzustellen oder gar wegzulassen. Manches ist im ersten Augenblick richtig schmerzlich, doch umso größer ist die Freude, wenn man anschließend auf das Ergebnis schaut und zufrieden ist.
Wie fühlt es sich an, das Werk nun in Händen zu halten?
Mein Buch ist ja schon vor zwei Jahren erschienen, aber das Gefühl, ein Werk, das lange Zeit viele freie Minuten und Stunden beansprucht hat, dann endlich in den Händen zu halten, ist befreiend und erfüllt einen mit großem Stolz. Es ist eines der schönsten Erfolgserlebnisse, die man sich selbst schaffen kann. Und es verkauft sich gut, jeden Monat mehrere Exemplare.
Interview: Gisela Hack-Molitor
Foto: Walter Greulich, © privat
Walter Greulich: Dokument- und Formatvorlagen in Word 2016, 2013 und 2010: Ein Leitfaden für Textprofis – mit zahlreichen Ratschlägen zum „Bändigen“ des Programms. Tredition, Hamburg 2017. 528 Seiten, Paperback, 34,90 Euro, ISBN-13: 978-3-7439-6897-4.
Das Buch bei Tredition
Das Buch ist außerdem über den Buchhandel und online z. B. im Autorenwelt-Shop erhältlich.
Walter Greulichs Website und VFLL-Profil
Weitere Beiträge von Walter Greulich:
future!publish 2019: Ein großer Wandel fürs Lektorat?! (2019)
Vom Leid mit dem jungen Apostrophen (2015)
Zweiter Tag der SfEP-SI-Konferenz (2015)
Weitere Beiträge zum Thema Word:
Fortbildung: EPUB-E-Books aus Word und InDesign (2015)
Pingback: VFLL-Veranstaltungsreihe „Frag den Profi!“ mit Walter Greulich - VFLL-Blog
Das Buch hat einen Tiefgang, der mir noch in keinem anderen Word-Buch begegnet ist. Man durchdringt endlich die Zusammenhänge. Aber es ist auch schwere Kost, kein Buch, das man mal eben liest. Wenn man aber durchgehalten und diese und jene Stelle mehrfach gelesen hat, ist der Erkenntnisgewinn groß. Ich kann es also nur allen empfehlen, die den wichtigen Bereich der Dokument- und Formatvorlagen in Word nicht nur oberflächlich beherrschen, sondern wirklich verstehen wollen. Ein ganz dickes Dankeschön an Walter, dass er sein Wissen auf diesem Weg weitergibt!