Symbolbild: „Der Kunde ist König, aber nicht Kaiser“

„Der Kunde ist König, aber nicht Kaiser“

Im November 2023 tauchten die zehn Teilnehmerinnen des VFLL-Fortbildungshappens „Der Kunde ist König, aber nicht Kaiser“ unter der Leitung von VFLL-Mitglied Joachim Fries ein in die Welt der Kundenorientierung. Gemeinsam wurden reale und fiktive Fallbeispiele diskutiert, Erwartungshaltungen analysiert und über die Bedeutung von Kundenorientierung im Lektoratsalltag reflektiert. Im Beitrag sind die wichtigsten Erkenntnisse festgehalten.

Von Joachim Fries

„Der Kunde ist König“ – so lautet das Mantra der Kundenorientierung. Doch beileibe nicht jedes Unternehmen, das sich Kundenorientierung oder -zentrierung auf die Leitbild-Fahne geschrieben hat, bietet diese tatsächlich. In der Praxis gibt es erhebliche Unterschiede. Oft sind es kleine Dinge, die den großen Unterschied ausmachen.

Wir alle kennen Unternehmen, die sich an ihren Kunden und Kundinnen orientieren, diese in den Mittelpunkt stellen und auch besondere Wünsche erfüllen. Unternehmen, deren Produkte oder Dienstleistungen wir uns deswegen gerne leisten. Aber ebenso erleben wir Unternehmen, die uns einen grottenschlechten Service zumuten und für die die Kundensicht ein blinder Fleck ist. Und es gibt umgekehrt auch Kunden und Kundinnen, die überirdische Leistungen für unterirdische Preise erwarten.

Was bedeutet das für uns Freie Lektorinnen und Lektoren? Soll man jedem Kunden, jeder Kundin jeden Wunsch von den Augen ablesen? Oder soll man Grenzen ziehen und diese den Kunden und Kundinnen auch zeigen? Ebenso berechtigte wie herausfordernde Fragen.

Dieser Herausforderung stellten sich zehn Teilnehmerinnen beim VFLL-Fortbildungshappen „Der Kunde ist König, aber nicht Kaiser“. Silke Leibner moderierte die Veranstaltung, ich plante und leitete sie. Anhand von neun (realen wie fiktiven) Fallbeispielen setzen wir uns mit vier Fragestellungen auseinander:

1. Welche Erwartungshaltung haben Kundinnen und Kunden, welche Servicementalität Dienstleistende?

Die Analyse der Beispiele zeigte, dass die Erwartungen auf Kundenseite oft unklar und überzogen sind, aber auch Dienstleistende nicht immer ein kundenorientiertes Mindset besitzen. So wundert es nicht, wenn es zu Diskrepanzen und Irritationen in der Zusammenarbeit kommt. Worauf es bei der Kundenorientierung ankommt, zeigte der nächste Schritt:

2. Was heißt Kundenorientierung für uns Lektorinnen und Lektoren?

Als Antwort und Appetizer gabs ein Akronym:

Leistungen als maßgeschneiderte Problemlösungen begreifen und handhaben: Der Kunde, die Kundin kauft keine Leistung, sondern einen Nutzen.

Erwartungen, Bedürfnisse, Wünsche der Kundinnen und Kunden herausfinden und berücksichtigen: Der Mensch steht im Mittelpunkt.

Kontakte pflegen mit Grüßen und Gefälligkeiten: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.

Termintreue, Verlässlichkeit und andere Tugenden an den Tag legen: Selbstverständlichkeiten sind selbstverständlich.

Organisation der Prozesse und Bedingungen an den Kunden und Kundinnen ausrichten: Agilität und Flexibilität sind heutzutage ein Muss.

Reaktionen auf Reklamationen zeigen: Der Umgang mit Beschwerden ist der Lackmustest.

Auswertung der Arbeit hinsichtlich der Kundenzufriedenheit und Arbeitsoptimierung vornehmen: Feedback ist weder Leid noch Luxus, sondern eine Hilfe.

Teamarbeit mit Kundinnen und Kunden praktizieren: Freie Mitarbeit ist Teamarbeit.

Der letzte Punkt, Teamarbeit, war ein einhelliger Vorschlag der Teilnehmerinnen.

3. Was ist bei der Kundenkommunikation zu beachten, wie sagen wir es dem Kunden?

Eine Antwort gibt das Nachrichtenquadrat von Friedemann Schulz von Thun. Wir betrachteten die vier Seiten einer Nachricht, die bei der Kommunikation im Allgemeinen und der Kundenkommunikation im Besonderen eine Rolle spielen:

  • Sachinhalt
  • Appell
  • Beziehung
  • Selbstkundgabe

Auf Fallbeispiele angewandt, konnten wir mit dem Nachrichtenquadrat nicht nur die verschiedenen Seiten von Nachrichten unterscheiden, sondern auch implizite und inkongruente Botschaften als Ursachen von Missverständnissen ausmachen. Zur eigenen Übung bieten sich übrigens auch Sketche von Loriot an: von den „Herren im Bad“ über „Die Nudel“ bis zum Klassiker „Das Frühstücksei“.

4.     Wie verhalte ich mich im Lektoratsalltag bei typischen Szenarios?

Im letzten Schritt wurden drei Szenarios diskutiert, mit denen wir Lektorinnen und Lektoren immer mal wieder konfrontiert werden:

  • Eine Agentur versucht nach unserem Angebot, den angemessenen Preis ohne Leistungseinschränkung zu drücken.
  • Ein Verlag erwartet von uns nach dem Lektorat eines Buches, dass wir noch schnell und kostenlos einen Klappentext liefern.
  • Eine Buchautorin ist mit unserem Lektorat sehr unzufrieden, weil sie andere, weitergehende Erwartungen gehegt hat.

Hier wurde deutlich: Es gibt weder Patentrezepte noch Musterlösungen, sondern wir müssen im Einzelfall entscheiden, welche Forderungen wir bei welchem Kunden bzw. welcher Kundin erfüllen wollen und können – und welche nicht.

Joachim Fries, VFLL-Mitglied und Autor des Beitrags, Foto: privat

Nicht das Ergebnis, sondern der Austausch mit den Kolleginnen war dann auch das, was den Teilnehmerinnen an dem Fortbildungshappen wichtig gewesen ist und gut gefallen hat. Und etliche haben sich vorgenommen, an ihrer Kommunikation zu arbeiten. So endete ein ebenso nahrhaftes wie leckeres Menü, das nur eines vermissen ließ: etwas mehr Zeit.

Text: Joachim Fries
Beitragsbild: Collage Geralt / pixabay


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