VFLL-Mitglied Barbara Lösel, (c) Nora Bretting

„Ich bin auch in meiner Kirchengemeinde Lektorin“

Was macht eine Buchliebhaberin? Sie wird Buchhändlerin, studiert Neuere deutsche Literaturgeschichte und Buch- und Bibliothekskunde, arbeitet in einem Verlag und macht sich als Lektorin selbstständig. Und da sie ehrenamtlich in ihrer Kirchengemeinde arbeitet, ist sie „doppelte“ Lektorin. Im Bloginterview erzählt Barbara Lösel ihren Werdegang.

Hattest du als Kind schon einen Traumberuf? Was hast du in der Zeit am liebsten gemacht?

Einen richtigen Traumberuf hatte ich nicht. Ich bin mit Büchern groß geworden – meine Mutter war Buchhändlerin – und habe schon als Kind sehr viel gelesen. Astrid Lindgren, Grimms Märchen und deutsche Heldensagen komplett und alles, was meine Mutter sonst noch so mitgebracht hat. Nur Hanni und Nanni und andere Schneider-Bücher musste ich mir von Freundinnen ausleihen, das entsprach nicht ihrem literarischen Anspruch … Manchmal durfte ich auch in der Buchhandlung, in der sie gearbeitet hat, Prospekte stempeln, das war toll. Früh war klar, dass mein Beruf „irgendwas mit Büchern“ werden würde.

Wie war dein beruflicher Werdegang?

Nach dem Abitur habe ich eine Ausbildung zur Sortimentsbuchhändlerin gemacht – bei Korn & Berg in Nürnberg, der ältesten Buchhandlung Deutschlands. Dort habe ich danach noch zwei Jahre gearbeitet und dann in Erlangen studiert: Buch- und Bibliothekskunde, Neuere deutsche Literaturwissenschaft und Italienisch. Nach der Magisterprüfung habe ich relativ schnell eine Stelle im Verlag gefunden (BW Bildung und Wissen Verlag, Nürnberg), zunächst im Vertrieb, dann im Lektorat, und bin dort in wechselnden Aufgabenbereichen 20 Jahre lang geblieben. Aufgrund von Umstrukturierungen habe ich den Verlag 2011 verlassen und mich als Lektorin selbstständig gemacht.

Wie ist die Idee entstanden, einen eigenen Verlag zu gründen?

Im Gespräch mit einer Verlagskollegin und einem Freund, der „zufällig“ genau in dieser Zeit einen Band mit Kurzgeschichten veröffentlichen wollte, und in einer gewissen Aufbruchsstimmung nach dem Angestelltendasein. Ich hatte großen Spaß an diesen Geschichten und so war es nur noch ein kleiner Schritt – ein Gang zum Ordnungsamt in Nürnberg, um ein Gewerbe anzumelden, und schon hatte ich einen Verlag. Im Austausch mit der Kollegin und dem Freund, die mich als Vertriebler sehr unterstützten, entstand dann auch der Name „Wortvergnügen“, der unserer Meinung nach gut zu meinen drei Dienstleistungsangeboten passte: Verlag, Lektorat und Autorenberatung.

Welche Titel hast du veröffentlicht?

Das erste Buch war eben dieser Band mit Kurzgeschichten: „Zweiter Sieger“ von Paul Tommek. Dann folgte ein weiteres Freundschaftsprojekt: „Spirituelle Wanderungen“ von den beiden Theologen Ulrike und Christian Dittmar. Das dritte Buch hat mit meiner Heimatstadt Zirndorf zu tun, bekannt für seine Spielzeugindustrie, unter anderem wurde dort Playmobil erfunden: Mathias Popp, „Zirndorfer Spielzeugfabriken. Familienunternehmen im Porträt“. Und zuletzt eine Hommage an meine Mutter und ihre legendäre Backkunst, die Rezeptsammlung „Rosmaries Weihnachtsplätzchen“. Und das war’s dann auch schon mit dem Ausflug ins Verlagswesen, denn als Ein-Frau-Betrieb war das alles nicht zu schaffen und meine Stärke liegt eindeutig im Lektorat und in der Produktion und nicht in Vertrieb und Marketing.

Du betreibst eine weitere Website „Zeitzeugen erzählen“. Wie kamst du darauf und worum geht es da?

Es begann mit der Biografie „Wir wollten leben …“ der Autorin Brigitte Braun. Ihr Sohn wollte die Erinnerungen seiner Mutter veröffentlichen und hat mich als Lektorin und Beraterin beauftragt. Danach habe ich die Aufzeichnungen meines Vaters bearbeitet, mit Fotos und Anmerkungen versehen und als kleine private Auflage herausgegeben. Irgendwann kam mir die Idee, dass in vielen Schubladen wertvolle Dokumente schlummern – Tagebücher, Briefe, Geschichten – Schätze, die vielleicht gehoben werden wollen. Dafür biete ich mich als Begleiterin an, von der Sichtung und Auswahl der Dokumente über die Text- und Bildbearbeitung bis hin zu einer Veröffentlichung in welcher Form auch immer.

Wann begann für dich dein Engagement in der Kirche und was hast du da alles erlebt?

Ich bin protestantisch sozialisiert. Mein Urgroßvater, Großvater und diverse Onkels und Großonkels waren Pfarrer bzw. Theologen, mein Vater war sehr engagiert im Kirchenvorstand, ich bin sonntags oft mit in den Kindergottesdienst, nach der Konfirmation habe ich Jugendarbeit gemacht und von dort bin ich nahtlos in eine kirchliche Friedensgruppe gerutscht. Das war in den Achtzigern mit Schweigekreisen vor der Deutschen Bank, Blockadeeinsätzen in Mutlangen etc. Kurz vor der Wende schlossen wir eine Partnerschaft mit einer kirchlichen Friedensgruppe in Radebeul bei Dresden, einige Kontakte bestehen bis heute. Wir besuchten uns gegenseitig und der Mauerfall war für uns alle ein hochemotionales Ereignis. 1993 und 1998 habe ich meine Kinder geboren, beide gingen in den evangelischen Kindergarten der Stadtteilgemeinde, in der ich jetzt lebe. Ich arbeitete im Elternbeirat mit und wurde in den Kirchenvorstand gewählt. Das Amt habe ich 18 Jahre lang ausgeübt, davon 12 Jahre als Vertrauensfrau.

Du engagierst dich heute immer noch in deiner Kirchengemeinde, welche Aufgaben hast du da?

Ich bin auch in meiner Kirchengemeinde Lektorin – jedoch geht es hier um eine andere Art von Lesen als beruflich. Zum einen übernehme ich manchmal im Gottesdienst den Mesnerdienst und die Lesung des Evangeliums, zum anderen bin ich dafür ausgebildet, Gottesdienste zu gestalten und vorgegebene Lesepredigten zu bearbeiten und zu halten. Das mache ich je nach Bedarf vielleicht einmal im Quartal. Außerdem bewirte ich einmal im Monat zusammen mit einem Gemeindekollegen die Seniorinnen und Senioren unserer Gemeinde mit Kaffee und Kuchen, das macht mir auch viel Freude.

Seit wann bist du im VFLL und was magst du besonders an ihm?

Ich bin gleich mit meiner Existenzgründung in den VFLL eingetreten, weil ich finde, dass er seinen Mitgliedern sehr viel bietet – zum Beispiel den Eintrag in die Datenbank, die Auftragsanfragen, die diversen Mailinglisten, die KSK- und Rechtsberatung, ein unglaubliches Fortbildungsprogramm und natürlich den kollegialen Austausch, der für Soloselbstständige, wie es ja die meisten von uns sind, wichtig ist.

Hast du auch kritische Anmerkungen oder Verbesserungswünsche, was den Verband betrifft?

Der Verband ist in der Zeit, in der ich dabei bin, stark gewachsen, und noch immer fußt sehr vieles auf ehrenamtlichem Engagement. Ich finde es gut, dass mit dem Verbandsmanagement weitere hauptamtliche Stellen geschaffen wurden, die die Ehrenamtlichen entlasten. Die Aufwandsentschädigungen im Ehrenamt sollten aus meiner Sicht noch ausgebaut werden, allein wegen der hohen Verantwortung zum Beispiel im finanziellen und juristischen Bereich. Ich empfinde manchmal die Abstimmungs- und Freigabeprozesse als etwas aufwendig, die Gründe dafür erschließen sich mir nicht immer.

Du bist dankenswerterweise in das erst vor Kurzem neu gegründete Orga-Team der VFLL-Tagung gesprungen. Was hat dich dazu bewegt und welche Aufgabenbereiche hast du übernommen?

Ich engagiere mich gerne, will mich aber nicht mehr so gerne auf langfristige Jobs einlassen. Die Vorbereitung der Fachtagung ist zeitlich begrenzt und auch online gut machbar, der Aufwand ist neben meiner eigentlichen Arbeit gut zu bewältigen. Es stand auf der Kippe, dass die Fachtagung nicht stattfindet, das wäre schade gewesen. Deshalb habe ich mich gemeldet. Ich bin im Team Fachprogramm und wir organisieren zusammen mit Jo Töpfer von boscop das Open-Space-Format.

Was machst du als Ausgleich zur Schreibtischarbeit?

Ich fahre sehr oft und gerne Fahrrad – im Alltag und zusammen mit meinem Mann auf Sonntagstouren oder längere Strecken im Urlaub. Und ich versuche, mich zu mindestens ein- bis zweimal Gymnastik in der Woche zu motivieren, was mir zugegebenermaßen keinen Spaß macht, doch es muss halt sein, wenn man wie ich schon in den Sechzigern ist. Meine kulturellen Bedürfnisse stille ich mit zwei Abos an unserem fantastischen Staatstheater [in Nürnberg, Anm. der Red.], und ich gehe gerne ins Kino.

Interview: Sibylle Schütz
Korrektorat: Rebekka Münchmeyer
Beitragsbild: Barbara Lösel, (c) Nora Bretting


Barbara Lösels Website und Profil im VFLL-Lektoratsverzeichnis
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