„Das Suchen nach dem letzten Krümel Potenzial“

VFLL-Kollegin Mareike Fröhlich aus Stuttgart hat im belletristischen Lektorat verschiedene Lieblingsgenres für sich entdeckt. Ihre langjährigen Erfahrungen im Bereich Kreatives Schreiben gibt sie gern an andere weiter. Passend dazu unterrichtet sie inzwischen an der Akademie der Deutschen Medien. Darüber hinaus liegt Mareike die Arbeit als Netzwerkerin am Herzen, weshalb sie u. a. ehrenamtlich im Vorstand der Mörderischen Schwestern arbeitet.

Wie bist du zum Lektorat gekommen? Welche Texte lektorierst du? In welchem Genre bist du zu Hause?

Ich kam über das Schreiben zum Lektorieren. Über viele Jahre hinweg habe ich mich als Autorin im Bereich des Kreativen Schreibens weitergebildet und habe verschiedene Genres und Schreibstile ausprobiert. Durch mein größer werdendes Netzwerk mit Autor*innen wurde der Austausch über die Texte immer intensiver und tiefer.

Was vor vielen Jahren als Freundschaftsdienst begann, ist heute mein Vollzeitjob. Und ich finde noch immer, dass es der schönste Job der Welt ist, denn dieses Eintauchen in die Geschichten, das Stellen der Fragen an die Figuren, ob sie auch wirklich alles gegeben haben, und das Suchen nach dem letzten Krümel Potenzial finde ich über alle Maßen spannend.

Zu Hause bin ich vor allem im Krimi, aber auch im Kinder- und Jugendbuch, Entwicklungs-, Fantasy- oder Liebesroman – jedes Genre hat seinen ganz eigenen Reiz.

Zusätzlich zum Lektorieren bietest du auch Coachings für Autor*innen an. Wie läuft so ein Coaching ab?

Im Mittelpunkt des Coachings steht immer die Idee, die hinter der Geschichte steckt. Was will die Autorin oder der Autor uns vermitteln? Für welche Zielgruppe wird der Text geschrieben?

Wir schauen gemeinsam, ob die Geschichte funktioniert. Sind die Figuren richtig ausgearbeitet, sind sie authentisch, durchleben sie eine Entwicklung? Wie sieht es mit dem Spannungsbogen und dem roten Faden aus? Wir besprechen die verschiedenen Handlungsstränge und welche Möglichkeiten des Verflechtens sich bieten.

Während des Coachings arbeite ich zusammen mit meinem Coachee die Stärken des Textes heraus, um diese auszubauen. Wir decken die Schwächen auf, um sie zu entfernen oder in Stärken zu verwandeln. Ich ermutige die Autor*innen darin, in die Tiefe zu gehen und alles aus ihren Figuren und ihrem Text herauszuholen. Und manchmal höre ich einfach nur zu, wenn der Frust zu groß ist.

Ich begleite also Autor*innen auf ihrem Weg durch ihre eigene Geschichte. Ist diese auf dem Papier (oder im Computer), berate ich sie zudem über die Möglichkeiten, die der Markt bietet.

Du lektorierst nicht nur, sondern du schreibst selbst auch Bücher. Als Autorin schlägt dein Herz für Krimis – wie kommen die Geschichten zu dir?

Es sind die Bruchstücke des Alltags, die mir in Zeitungsberichten, im Fernsehen oder im Radio begegnen. Ich beschäftige mich mit den kleinen Katastrophen, die wir schon so oft gehört haben, dass sie uns normal erscheinen. Missgunst, Gewalt, Sterben in Einsamkeit – vor allem aber beschäftige ich mich mit den Menschen, die Teil der kleinen Katastrophen sind, ob als Täter oder Opfer. Ich nehme sie in meine Geschichten auf, versuche, ihnen dadurch eine Stimme zu geben, ohne dabei die Unterhaltung außer Acht zu lassen. Es entstehen ernste Geschichten. Aber oft auch solche, die die Leser*innen zum Schmunzeln oder sogar herzhaft zum Lachen bringen.

Du bist auch Vorstandsmitglied bei den Mörderischen Schwestern. Was macht für dich ehrenamtliche Arbeit aus?

Die Mörderischen Schwestern e. V. sind ein Netzwerk, bestehend aus Autorinnen, Buchbranchenprofis und Leserinnen, das die von Frauen geschriebene Kriminalliteratur fördert und unterstützt.

Gerade bei ehrenamtlicher Arbeit ist Geben und Nehmen extrem wichtig. Ich gebe, indem ich einen Verein oder Verband mit meinem Know-how unterstütze. Aber ich profitiere auch durch das Know-how der anderen Mitglieder, was meine eigene Weiterentwicklung voranbringt. Außerdem ist die Vernetzung ein wichtiger Bestandteil meiner ehrenamtlichen Tätigkeit. Sowohl innerhalb der Branche als auch branchenübergreifend. Gäbe es keine Ehrenämter, die ausgefüllt werden, würden Vereine und Verbände irgendwann sterben. Und das wäre ein herber Verlust für uns alle.

Zusätzlich hast du eine Ausbildung zur Hörbuch- und Synchronsprecherin absolviert. Wie bist du dazu gekommen?

Mareike Fröhlich im Rahmen einer Lesung, Foto: Mareike Fröhlich / privat

Die Mörderischen Schwestern bringen ihre Geschichten auf die Bühne: Bei der „Ladies Crime Night“ tauchen mehrere Autorinnen für jeweils zehn Minuten in die Welt des Verbrechens ein. Durch einen Schuss werden die Lesungen der Geschichten abrupt beendet.

Von meiner ersten Lesung an habe ich dieses Konzept geliebt. Inzwischen bringe ich meine Geschichten (und die von anderen Autorinnen) in ganz Baden-Württemberg auf die Bühne.

Die Rückmeldungen von Zuhörern und Veranstaltern haben mich dazu bewogen, einen Schritt weiter zu gehen, nämlich die Ausbildung zur Hörbuch- und Synchronsprecherin zu absolvieren. Inzwischen coache ich Autor*innen für die Bühne. Die Bühne ist das Tor zu den Leser*innen, der persönliche Kontakt. Meine Erfahrung ist: Wer die Emotionen seiner Texte – die meist zwischen den Zeilen zu finden sind – kennt, kann das Publikum berühren. Und das ist es ja, was wir Autor*innen wollen. Mit unseren Texten berühren.

Als Dozentin bei der Akademie der Deutschen Medien hast du dir ein weiteres Standbein geschaffen. Hast du ein Faible fürs Unterrichten?

Meine eigene Weiterbildung ist mir sehr wichtig, denn nur durch die Aufnahme von Wissen bleibe ich nicht auf der Stelle stehen, sondern erweitere meinen Horizont. Ich profitiere von den Erfahrungen anderer Dozent*innen genauso wie von denen der Teilnehmer*innen. Auch hier findet ein Geben und Nehmen statt.

Mein Ziel ist, meine Erfahrungen, die ich im Laufe der Zeit gesammelt habe, an die Teilnehmer*innen meiner Kurse weiterzugeben, um ihnen Aha-Erlebnisse zu ermöglichen. Es bereichert mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich Teilnehmer*innen Wege zeigen kann, die sie bisher noch nicht kannten.

Interview: Katja Rosenbohm
Alle Fotos: Mareike Fröhlich


Veröffentlichungen

  • Glücksorte in Tübingen; Droste Verlag, 2019, ISBN 978-3-7700-2168-0
  • Geschmackvoll morden; Wellhöfer Verlag, 2019, ISBN 978-3-95428-258-6
  • Frauen morden schöner; Wellhöfer Verlag, 2018; ISBN 978-3-95428-248-6
  • Schwabens Abgründe, Silberburg Verlag, ISBN 978-3-8425-2294-7 (erscheint im Februar 2021)

Mareike Fröhlichs Website und Profil im VFLL-Verzeichnis


Weitere Blogbeiträge aus dieser Reihe:

„Ohne Netzwerken kann ich mir meinen Beruf nicht vorstellen“ (2020)
„Umwege erhöhen die Ortskenntnis“ (2020)
„Ich wollte Familienmediatorin werden“ (2020)
„Manchmal brauche ich Zeit in meinen eigenen Welten“ (2020)
„Ohne Übung wird das nichts“ (2020)
Durchwursteln war gestern (2020)
„Ich schau nur noch wenig fern“ (2019)
„So aufgeregt wie beim ersten Mal war ich nie wieder“ (2019)
„Ich bin buchstäblich in den Beruf reingewachsen“ (2019)
„Lies es selbst!“ – Alte Schriftstücke entziffern lernen (2019)

 

2 Gedanken zu „„Das Suchen nach dem letzten Krümel Potenzial“

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