Am 18. Oktober 2024 wurden im Rahmen der Frankfurter Buchmesse die Gewinner*innen des Deutschen Jugendliteraturpreises bekannt gegeben. Besonders erfreulich: Das preisgekrönte Bilderbuch „Wünsche“ aus dem Horami Verlag hat VFLL-Mitglied Kerstin Salvador lektoriert. Im Interview erzählt Kerstin von der Zusammenarbeit mit dem Verlag und warum die Preisverleihung auch für sie zu einem emotionalen Höhepunkt wurde.
Herzlichen Glückwunsch, das von dir lektorierte Buch „Wünsche“ von Mượn Thị Văn, übersetzt von Petra Steuber, hat dieses Jahr den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Kategorie Bilderbuch gewonnen. Was war für dich der emotionalste Moment am Abend der Preisverleihung?
Nun, dass dieses Buch etwas ganz Besonderes ist, wusste ich schon, als ich es im letzten Sommer lektoriert habe. Die berührende Geschichte, erzählt von Mượn Thị Văn, die Einfachheit der Sprache, brillant auf nur wenige Sätze reduziert, und die zarte Bildsprache von Victo Ngai haben mich von Anfang an begeistert. Es war eine enge Zusammenarbeit zwischen der Übersetzerin Petra Steuber, der Verlegerin Hanh Nguyen-Schwanke und mir als Lektorin, die deutsche Übersetzung mit viel Fingerspitzengefühl gleichwertig in höchster Qualität umzusetzen. Das Feedback, dass uns das gut gelungen ist, haben wir schon auf der Leipziger Buchmesse 2024 bekommen, als „Wünsche“ neben vielen anderen herausragenden Büchern für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde. Diese Veranstaltung allein war schon sehr emotional. Wir mussten uns dann aber noch ein halbes Jahr bis zur Frankfurter Buchmesse gedulden, um zu erfahren, ob wir tatsächlich zu den Gewinnerinnen und Gewinnern zählen. Dass die mitnominierten Bücher allesamt genial sind und dass es schwer sein würde, eine Auswahl zu treffen, war uns seit Leipzig bewusst.
Wir alle – das Verlegerinnen-Team Hanh Nguyen-Schwanke und Bao-Tram Thai, Petra Steuber und ich – waren mächtig gespannt auf die Preisverleihung auf der Frankfurter Buchmesse. Vorher gab es im kleinen Kreis ein Meet-up der Nominierten zum gegenseitigen Kennenlernen. Die Preisverleihung fand dann im Saal Harmonie im Kongresszentrum statt, der mit 2.200 Personen bis auf den letzten Platz voll belegt war. Wir saßen als HORAMI-Team alle zusammen und lauschten der Begrüßung und der Grußworte von Bundesministerin Lisa Paus, Karin Schmidt-Friedrichs und Juergen Boos, bis es endlich zur Verleihung ging. Die haben uns schon ganz schön auf die Folter gespannt. Als dann Lisa Paus den geheimen Umschlag öffnete und den Gewinner „Wünsche“ verkündete, jubelten wir los und konnten es nicht glauben.
Das Lektorat steht oft im Hintergrund. Deshalb setzt sich der VFLL zum Beispiel seit Jahren dafür ein, dass das Lektorat im Impressum genannt wird. Was hast du empfunden, als die Preisträgerinnen dich auf die Bühne mitgenommen haben?
Ich habe in dem Moment, als „Wünsche“ aufgerufen wurde, wirklich nicht damit gerechnet, mit auf die Bühne zu gehen. Aber Hanh hat mich einfach am Ärmel gezupft und gesagt „Los, komm mit!“ – und schon standen wir auf dieser großen Bühne im vollbesetzten Saal und vor laufenden Kameras und Lisa Paus schüttelte uns die Hand. Großartig! Besonders gefreut hat es mich, als Hanh erklärte, warum wir den Preis als Team entgegennehmen: Weil Horami eben ein sehr kleiner Verlag ist und wir alle eng zusammenarbeiten. Deshalb ist auch die Lektorin mit auf der Bühne, um den Preis entgegenzunehmen. Die Autorin und Illustratorin leben in den USA und haben eine Grußbotschaft geschickt, die die Co-Verlegerin Bao-Tram Thai vorgelesen hat.
Ich war mega glücklich, stolz wie Bolle und sehr dankbar für diese Wertschätzung, die nicht selbstverständlich ist. Das ist schon etwas Besonderes, als Lektorin mal im Rampenlicht zu stehen – und es tut so gut! Der Horami Verlag wurde in diesem Jahr übrigens auch mit dem Deutschen Verlagspreis ausgezeichnet und auch hierzu habe ich als Lektorin mit meinem hohen Qualitätsanspruch beigetragen.
„Wünsche“ wurde in der Kategorie Bilderbuch prämiert. Ist das Kinder- und Jugendbuch dein Schwerpunkt im Lektorat?
Den HORAMI Verlag unterstütze ich als Lektorin und Beraterin seit 2017. Bisher habe ich an diesen fünf Buchprojekten als Lektorin und Korrektorin mitgewirkt: „Bilingualer Ratgeber und Sprachführer zur Kindergesundheit“ (2017), „Wolketigerbohne“ (2020), „Wünsche“ (2023), „Die schwere Tasche“ und „Wem gehört der Reishut?“ (beide 2024). In diesem Jahr habe ich auch das wunderbare Kinderbuch unserer ehemaligen VFLL-Kollegin Lena Gayoso „Von wegen Elche! Bastian zieht nach Norwegen“ korrekturgelesen, das im Oktober erschienen ist. Insofern ist Kinder- und Jugendbuch zu einem meiner Schwerpunkte geworden.
Hast du weitere berufliche Standbeine?
Ja, mein Hauptschwerpunkt im Lektorat ist das (technische) Fachbuch, Sachbuch und Werbelektorat. Für einige Fachverlage übernehme ich das externe Projektmanagement und betreue Produktionsprozesse vom eingehenden Manuskript bis zur Druckfreigabe inklusive Betreuung von Autor*innen, Lektorat, Korrektorat, mit allen Schnittstellen zur Herstellung und zum Verlag.
Seit 2010 schreibe ich als Autorin Lehrwerke für Deutsch als Fremdsprache für drei italienische Fremdsprachenverlage. Neben Schulbüchern sind das auch Lektüren, Online-Lernmaterialien und Sprachzeitschriften. In diesem Zusammenhang übersetze ich auch aus dem Italienischen.
Welche Bücher liest du privat am liebsten?
Gerade habe ich die beiden Bücher von Caroline Wahl „22 Bahnen“ und „Windstärke 17“ in einem Rutsch weggelesen (Pageturner …), alles von Jenny Erpenbeck, Dörte Hansen, Ewald Arenz und so vieles mehr …
Wie lange bist du schon Mitglied im Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren? Was findest du, ist das Besondere am VFLL? Warum würdest du eine Mitgliedschaft im VFLL weiterempfehlen?
Ich bin 2011 dem VFLL beigetreten, gleich nachdem ich mich als Lektorin selbstständig gemacht und die nötigen Anforderungen erfüllt habe, also die Zertifizierung zur freien Lektorin ADM und die Nachweise meiner Erfahrungen als Lektorin. In der Freiberuflichkeit sind Vernetzung, der Austausch mit anderen Lektor*innen und Weiterbildung unerlässlich. Deshalb würde ich eine Mitgliedschaft im VFLL unbedingt empfehlen. Meine Highlights sind das hervorragende Weiterbildungsangebot und die zweijährlichen Fachtagungen, um sich persönlich zu begegnen.
Interview: Katja Rosenbohm
Korrektorat: Sibylle Schütz
Beitragsbild: offizielles Pressefoto von der Preisverleihung, © Sebastian Kissel
Thi van Muon: Wünsche, übersetzt von Petra Steuber, illustriert von Victo Ngai. 40 Seiten, 19,95 Euro; Horami Verlag, ISBN 978-3-9824396-5-5.
Das Buch beim HORAMI Verlag
Das Buch ist über den Buchhandel und online z. B. im Autorenwelt-Shop erhältlich.
Der Moment der Preisverleihung der Frankfurter Buchmesse (Link führt zu YouTube)
Kerstin Salvadors Website und Eintrag im VFLL-Lektoratsverzeichnis
Weitere Blogbeiträge aus dieser Reihe:
2023 wurde VFLL-Mitglied Johanna Schwering für den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse nominiert und hat ihn gewonnen (2023)
2023 belegte der Roman „Louisenstraße 13 – Der Erinnerungsladen“ von Petra Teufl den tolino media Newcomerpreises 2023, lektoriert von VFLL-Mitglied Ursula Hahnenberg, der Buchsatz stammt von VFLL-Mitglied Gabi Schmid.
2022 erhielt VFLL-Mitglied Johanna Gerhard den Selfpublishing-Buchpreis in der Kategorie Belletristik für ihren Roman „Der Klang von Feuerblau“.
2020 wurde VFLL-Mitglied Cordula Setzmann als Übersetzerin von „Wer ist Edward Moon?“ mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.
2019 war VFLL-Mitglied Daniela Dreuth Mitglied der Jury des Deutschen Selfpublishing-Preises und 2018 mit ihrem „Kinderohren“-Blog selbst nominiert für den Buchblog-Award Bubla.