VFLL-Mitglied Marion Voigt

„Ohne Netzwerken kann ich mir meinen Beruf nicht vorstellen“

Es gibt engagierte Netzwerker*innen und es gibt sehr engagierte Netzwerker*innen. Zu letzteren zählt Marion Voigt, die neben ihrem kontinuierlichen Engagement für den VFLL noch in anderen Netzwerken unterwegs und aktiv ist und deren Motto bei diesem Tun lautet: „Erst geben, dann nehmen.“

Du bist in verschiedenen Berufsfeldern zu Hause und übst sie auch parallel aus. Wie haben sich diese entwickelt? Welches war dein erster Beruf bzw. wie war dein beruflicher Werdegang?

Von der Buchhändlerin zur Lektorin, das war kurz gesagt mein Weg. Dazwischen studierte ich in der spannenden Zeit von Perestroika und Mauerfall Slawistik, Osteuropäische und Mittlere Geschichte, arbeitete anschließend für einen erfolgreichen Kleinverlag und machte mich 1996 selbstständig. Mit der Zeit hat sich Schreiben zu einem wichtigen Arbeitsfeld für mich entwickelt. Klappen-, Vorschau- oder Pressetexte macht man nicht nebenbei. Ich habe mich gezielt weiterqualifiziert und biete unter anderem Texte für Webseiten und Broschüren an. Meine Erfahrung auf den verschiedenen Gebieten des Büchermachens nutze ich auch, um Autor*innen zu beraten, und als Referentin, etwa zu Lektoratsthemen.

Ich kenne dich als engagierte Netzwerkerin. In welchen Netzwerken tummelst du dich und seit wann?

Von Anfang an begleiten mich in meiner Selbstständigkeit die BücherFrauen mit tollen Frauen aus allen Bereichen der Buchbranche. Und seit Gründung des VFLL finde ich hier den wertvollen Austausch mit anderen Lektor*innen über alles, was unsere freiberufliche Arbeit so mit sich bringt. Gern schaue ich beim texttreff vorbei, außerdem verfolge ich, was sich in berufsverwandten Netzwerken wie dem VdÜ tut. Wichtig finde ich neben informellen auch regionale Netzwerke, in Nürnberg beispielsweise »Erfolgsfaktor Frau«, »Frauen als Unternehmerinnen« oder der »Runde Tisch Literatur«.

Wie genau sieht dein Engagement in den Netzwerken aus? Hattest oder hast du ein Ehrenamt inne oder hast du an Projekten teilgenommen?

Richtig lebendig wird Netzwerken erst, wenn man Aufgaben übernimmt und etwas tiefer einsteigt. Ich habe im VFLL mal zwei Jahre das Amt der zweiten Sprecherin in Bayern ausgeübt und halte als Ansprechpartnerin den Kontakt mit unseren Mitgliedern in Nordbayern. Wir treffen uns zum Stammtisch und organisieren Veranstaltungen, je nach Interesse. Unser letztes Großprojekt war die VFLL-Jahrestagung in Nürnberg 2018. Manchmal ergeben sich auch gemeinsame Projekte mit den BücherFrauen, zum Beispiel ein Themenabend zum Werk von Olga Tokarczuk Ende Januar 2020. Bei den BücherFrauen war ich im Wechsel mit Kolleginnen immer wieder Regionalsprecherin, überregional habe ich zwei Jahre lang inhaltlich die Website betreut. Zurzeit ist das Amt der Sprecherin in Franken vakant, ich mache die Vertretung als Kontaktfrau.

Was schätzt du am Netzwerken?

Ohne Netzwerken kann ich mir meinen Beruf nicht vorstellen. Es hilft so ungefähr bei allem, was mir in meiner täglichen Arbeit begegnet – ich bekomme Antworten auf konkrete Fragen, Unterstützung, wenn ich nicht weiterweiß, und das beruht natürlich auf Gegenseitigkeit. Das Netzwerk erleichtert es, Ideen zu entwickeln und gemeinsam umzusetzen, weil es unterschiedliche Talente zusammenbringt, und vor allem sorgt es für einen organisatorischen Rahmen, der den Austausch verstetigt. Beim Netzwerken lernt man ständig dazu.

Gibt es etwas, das du Berufseinsteiger*innen empfehlen kannst?

Der Start in die Freiberuflichkeit ist hart, wenn man nicht schon gute Kontakte mitbringt, etwa aus einer Festanstellung. Zum Glück gibt es den VFLL. Wer sich hier einbringt, auch mal eine Jahrestagung besucht, Fortbildungsangebote nutzt, schafft gute Voraussetzungen, um sich zu behaupten. Zusätzlich sollte man sich in anderen Netzwerken umsehen, verschiedene Plattformen ausprobieren, auch in den Social Media, denn das fördert die Sichtbarkeit und erleichtert die Akquise.

Meist zeigt sich schnell, wo man sich wohlfühlt, wo es positive Resonanz gibt. Dann kommt es darauf an, die Verbindung zu pflegen, vielleicht eine ehrenamtliche Aufgabe zu übernehmen, das muss nichts Großes sein, aber es signalisiert, dass man es ernst meint. Erst geben, dann nehmen.

Der beste Rat ist wahrscheinlich dieser: Keine Scheu vor Aufträgen, die nicht genau zum eigenen Profil passen! Neues ausprobieren, Risiken eingehen, das macht uns als Unternehmer*innen schließlich aus. Und vor allem nicht vergessen, auch kleine Erfolge zu feiern!

Wie erging und ergeht es dir in diesen sonderbaren Corona-Zeiten? Gab oder gibt es da bei dir Einbrüche oder Veränderungen in der Auftragslage?

Mitte März kam ich von einem Urlaub in Kolumbien zurück, da wurde bei uns gerade Klopapier knapp, und man gab sich nicht mehr die Hand. Das war völlig surreal. Ich hatte erst mal noch viel zu tun, aber im April blieben neue Aufträge aus. Kurzfristige Jobs, wie ich sie für Agenturen übernehme, fielen fast komplett weg, ein Buchlektorat wurde verschoben. Am wenigsten Sorge machte mir allerdings die Auftragslage … An Flauten gewöhnt man sich als Soloselbstständige, und man entwickelt Strategien, damit umzugehen. Glücklicherweise änderte sich die Situation ab Mai wieder. Seitdem geht es so lebhaft zu, dass ich Ideen und Projekte, an denen ich im April gearbeitet habe, nur bedingt weiterverfolgen kann. Verändert hat sich, dass mehr Anfragen von Selfpublishern kommen, wohl auch infolge des Lockdowns. Viele Menschen haben offenbar die Zeit zum Schreiben genutzt.

Was machst du gerne als Ausgleich zu der ganzen Schreibtischarbeit, um den Kopf freizubekommen?

Ehrlich gesagt – lesen, aktuelle Belletristik, Klassiker, Sachbücher! Zwischendurch auch schreiben. Morgens stimme ich mich mit Yoga auf den Tag ein, oder ich verabrede mich zum Walken im Wald. Am besten klappt es mit dem Abschalten auf Bergtouren mit meinem Mann, weit hinauf und von Hütte zu Hütte. Und im Rucksack ist immer noch Platz für ein Buch.

Interview: Sibylle Schütz
Beitragsfoto: Marion Voigt, (c) Julien Seyerlein


Weitere Netzwerke:


Marion Voigts Website und Profil im VFLL-Verzeichnis


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4 Gedanken zu „„Ohne Netzwerken kann ich mir meinen Beruf nicht vorstellen“

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