VFLL-Kollegin Meike Blatzheim, Lektorin und Literaturübersetzerin, war in diesem Jahr Teil der norwegischen Gastland-Delegation auf der Leipziger Buchmesse. Zwischen Dolmetsch-Einsätzen, Lesungen und einem eigenen Vortrag über das Schreiben von Romananfängen bewegte sie sich in ihren verschiedenen Rollen übers Buchmesse-Parkett. Sie schildert ihren persönlichen Eindruck im Blog.
Von Meike Blatzheim
„Traum im Frühling“, so lautete das Motto des diesjährigen Gastlands Norwegen auf der Leipziger Buchmesse. Traumhaftes Frühlingswetter bekamen sie in jedem Fall, die Norweger*innen, die – je nach Wohnort im Land – aus winterlichen Verhältnissen anreisten. Mitten unter ihnen: ich, nicht nur Lektorin und Mitglied im VFLL, sondern in Leipzig als Literaturübersetzerin auch Teil der norwegischen Gastland-Delegation.

Foto: (c) privat
So begann meine Buchmesse bereits am Mittwochabend mit einer Einladung zur offiziellen Messeeröffnung im Gewandhaus, denn Julia Kahrs und Hilde Myklebust, die beiden norwegischen Autorinnen, die ich während der Messetage begleiten sollte, waren ebenfalls früh angereist. Mein erstes Messe-Highlight: Im Hotelfahrstuhl nicht nur auf die erste ‚meiner‘ Autorinnen zu stoßen, sondern auch auf den Autor Karl Ove Knausgård, der sich unserer Prozession zum Gewandhaus anschloss (natürlich sind wir jetzt per Du, das ist in Norwegen so üblich). Die Eröffnungsfeier selbst bestand, wie erwartet, aus sehr vielen Reden, teils engagiert und durchaus interessant, teils … nun ja, schweigen wir darüber. Trotzdem ließ das zweite Highlight nicht lange auf sich warten. Das Gewandhausorchester Grieg spielen zu hören, war wunderbar und weckte Erinnerungen an meine Studienzeit in Bergen, dem Geburtsort des Komponisten.

Deutsches Schulmuseum in Leipzig, (c) privat
Am nächsten Morgen traf Julia Kahrs, mit der ich an dem Tag unterwegs sein sollte, und mich das Schicksal aller Kinderbuchautor*innen und -übersetzer*innen: Für die erste Schullesung mussten wir bereits um neun Uhr im Deutschen Schulmuseum sein. Glücklicherweise hatte NORLA, die norwegische Literaturförderorganisation, die den Messeauftritt organisierte, das Hotel klug gewählt, sodass wir zu Fuß zum Museum laufen konnten. Dort durften wir unser Programm, eine Lesung aus Julias Buch „Sturm überm Winkelhaus“, gleich zweimal absolvieren und hatten Glück, auf zwei Gruppen mit aufgeweckten, interessierten Kindern aus den Jahrgangsstufen 5 und 6 zu treffen. Da Julia kein Deutsch spricht, war es meine Aufgabe, die Lesung zu moderieren, die deutschen Textausschnitte zu lesen und zwischen Julia und den Kindern zu dolmetschen.

Julia Kahrs Buch „Sturm überm Winkelhaus“, Foto: (c) privat
Nach einer Pause ging es am Spätnachmittag weiter aufs Messegelände, wo wir Julias Buch gemeinsam am norwegischen Stand vorstellen durften. Der war meiner Meinung nach wirklich gut gelungen: luftig, mit viel Holz und Fotografien aller teilnehmenden Autor*innen. Zwischendurch wurden durch eine Luke wohl auch Waffeln mit typisch norwegischem Brunost (einem leicht süßlichen Karamellkäse) gereicht, was ich leider verpasst habe.
Und so ein Messetag ist nach Schließung der Hallen ja noch lange nicht zu Ende! Zusammen mit Julia ging es weiter zur Schaubühne Lindenfels, dem Festivalzentrum der Norweger*innen. An den Messetagen fanden dort jeden Abend kostenlose Lesungen statt, wir lauschten u. a. Øystein Wiik (der nicht nur Autor, sondern auch Schauspieler und Musicaldarsteller ist und live auf der Bühne sang) und Maja Lunde. Beim anschließenden Eröffnungsfest hielt ich allerdings nicht allzu lange durch, irgendwann braucht der Mensch dann doch Schlaf …

Die norwegische Autorin Hilde Myklebust, Foto: (c) privat
Denn auch am Messefreitag musste ich wieder früh parat stehen. Heute sollte ich mit Hilde Myklebust und ihrem Jugendroman „Auch am Tag leuchten die Sterne“ unterwegs sein. Zunächst ging es zu Fuß zu einem Gymnasium in der Leipziger Innenstadt. Zwei neunte und zehnte Klassen hörten aufmerksam zu, während wir aus dem Roman vorlasen und über die – zugegeben nicht ganz leichten – Themen sprachen. Und auch dieses Mal wurden wieder viele Fragen gestellt, die wir in einer wilden Mischung aus Deutsch, Englisch und Norwegisch beantworteten. Nachdem Hilde fleißig Autogrammkarten signiert hatte, ging es gleich weiter zur Messe. Dort standen zwei weitere Lesungen an: im Lesetreff in Halle 3 auf der Kinder- und Jugendbuchbühne sowie wiederum am norwegischen Stand, wo es im Vergleich zum Vortag inzwischen noch voller geworden war. Dazwischen trafen wir unsere Verlagslektorin von Carlsen und bestaunten die Massen, die sich vor den Ständen mit den Young-Adult-Programmen drängten.
Am Abend stand ein weiteres Messe-Highlight an, das Verlagsabendessen mit dem Carlsen-Team. Da Hilde die einzige ausländische Autorin in der Runde war, war mein Job noch nicht ganz getan, zwischendurch musste ein wenig gedolmetscht werden.

Autorin Hilde Myklebust (im Bild links) und Meike Blatzheim, die deren Buch „Auch am Tag leuchten die Sterne“ übersetzt hat, Foto: (c) Sibylle Schütz
Samstag, fast in der Zielgeraden angelangt, begann mein Messetag etwas später, und so traf sich beim Frühstück im Hotel (wo alle untergebracht waren, die mit dem Gastland-Auftritt zu tun hatten) noch einmal die Kinderbuch-Crew: neben den beiden Autorinnen Julia Kahrs und Hilde Myklebust, die ich die letzten Tage begleitet hatte, noch Bjørn F. Rørvik, dessen Bücher ich auch übersetzt habe, der aufgrund seiner guten Deutschkenntnisse auf der Messe ohne Dolmetschen auskam, Anna Fiske sowie Maria Parr, die – noch so eine typisch norwegische Geschichte – zufällig in demselben Hundert-Seelen-Dorf lebt wie Hilde Myklebust. Und worüber tauscht sich eine solche Kinderbuchbande aus? Über so wichtige Dinge wie die schönsten Spielwarenläden Leipzigs – das passiert einem unter anderen Erwachsenen wirklich selten!
Im Anschluss ging es für mich ein letztes Mal auf die Messe. Vormittags war ich ausnahmsweise in eigener Mission unterwegs. Da ich als Lektorin auch für deutsche Autor*innen arbeite, hatte ich mich als Referentin mit einem Vortrag über die ersten Seiten des Romans um einen Platz bei der Leipziger Autor*innenrunde beworben. Leider hatte ich im Anschluss keine Zeit, mir anzuhören, was die (VFLL-)Kolleg*innen an Themen vorbereitet hatten, denn mein letzter Auftritt auf der norwegischen Bühne stand an.
Nicht alle Übersetzer*innen konnten nach Leipzig reisen, und so durfte ich anstelle von Katharina Erben und Tilo Herrmann ein Interview mit dem jungen Comic-Künstler Odin Helgheim führen, dessen Comic-Reihe „Ragnaröck“ von einem Wikingerjungen und dessen fantastischen Abenteuern erzählt. Wieder sah das Publikum am Stand anders aus, eine ganze Reihe Comic- und Manga-Fans, teils sogar in Wikinger-Outfits, hatte sich von Halle 1 aus auf den Weg gemacht. So verschwand Odin auch gleich nach unserem Gespräch in einer Wolke aus Fans, und mir blieb nur noch, ihm ein letztes Mal zuzuwinken, bevor ich meinen Koffer schnappte und mich zum Messebahnhof aufmachte. Voller neuer, schöner Erinnerungen, Gesprächen über Literatur, kulturelle Eigenheiten und Spielwarenläden und überhaupt unvergesslicher Momente. Ich habe danach noch drei Nächte auf Norwegisch geträumt …
Text: Meike Blatzheim
Redaktion: Katja Rosenbohm
Korrektorat: Sibylle Schütz
Beitragsbild und Fotos: (c) privat
Weiterführende Links:
Norwegen – Gastland der Buchmesse 2025
NORLA (Norwigian Literature Abroad)
Julia Kahrs: Sturm überm Winkelhaus, übersetzt von Meike Blatzheim, 256 Seiten, Oetinger, 2024.
Meike Blatzheims Website für Übersetzungen und Übersetzungslektorat
Meike Blatzheims Website und Profil im VFLL-Lektoratsverzeichnis
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