Die Interessen der Verbandsmitglieder vor der Politik vertreten

Im Verband der Freien Lektorinnen und Lektoren gibt es zahlreiche engagierte Mitglieder, die hinter den Kulissen für die Mitglieder tätig sind. Unter anderen gehört dazu Doris Schemmel, die als Lobbybeauftragte unsere Belange in verschiedenen politischen Gremien vertritt. Doch was genau macht eine Lobbybeauftragte? Darauf gibt Doris gerne hier Auskunft.

Seit wann bist Du Lektorin und wann bist Du dem Verband beigetreten?

Ich bin – mit einer längeren Unterbrechung – seit 1998 Lektorin, dem Verband bin ich 2015 beigetreten.

Wie bist Du zu Deinem Amt gekommen und wie lange übst Du es jetzt schon aus?

Wie die Jungfrau zum Kind! Bei einem Stammtisch saß ich zufällig neben meiner jetzigen Vorgängerin. Sie erzählte, dass sie eine Nachfolge sucht, und so wurde ich neugierig. Am Ende hat sie mich mit zu ihrer bis dahin opulentesten Einladung mitgenommen: ins Bundeskanzleramt. Da konnte ich nicht Nein sagen und bin nun seit vier Jahren die Lobbybeauftragte des Verbands.

Was gefällt Dir oder begeistert Dich daran am meisten?

Es ist faszinierend, in den Maschinenraum der Demokratie zu blicken. Ich vertrete ja die Interessen der Verbandsmitglieder vor der Politik. Ob es um Sozialversicherung, um Scheinselbstständigkeit, um Pflichtversicherung von Selbstständigen oder um unsere Situation angesichts von Corona geht: All die Zahnräder und Ölkännchen zu sehen und zu verstehen, die zu handfesten Entscheidungen führen, ist beeindruckend. Aber auch das Engagement, das alle Beteiligten zeigen, ist großartig. Ich verstehe jetzt aber auch die Schwierigkeiten und Hindernisse besser, die einer schnellen Lösung, wie man sie sich ja oft gerne wünscht, im Weg stehen.

Das zweite und nicht weniger wichtige Movens ist das Feedback aus dem Verband, also von den Mitgliedern. Ich freue mich sehr, wenn wir etwas für unsere Mitglieder erreichen (wie z. B. die Halbierung des Mindestbeitrags für die gesetzliche Krankenversicherung) und bin sehr motiviert durch die persönlichen Geschichten, die mich von einzelnen Lektorinnen und Lektoren erreichen.

Wie sieht die Lobbyarbeit für unseren Verband konkret aus? In welchen Gremien sitzt Du oder an welchen Sitzungen nimmst Du teil?

In erster Linie setzen wir als VFLL auf Kooperationen. Um gehört zu werden, genügt es nämlich nicht, stellvertretend für 1.000 Mitglieder zu sprechen. Deshalb sind wir – zusammen mit Übersetzerinnen, Selfpublishern, Literaturgesellschaften, Schriftstellerinnen etc. ­– in der Sektion Deutsche Literaturkonferenz im Deutschen Kulturrat vertreten. Außerdem sind wir unter dem Gesichtspunkt der Selbstständigkeit gut in der Bundesarbeitsgemeinschaft der Selbstständigenverbände (BAGSV) aufgehoben. Zu deren Treffen kommen regelmäßig Bundestagsabgeordnete unterschiedlichster Fraktionen, die offen und vorbehaltlos unsere Anliegen hören und davon sehr profitieren. Sie tragen unsere Fragen und Forderungen direkt in ihre Parteien und ins Parlament.

Wie groß ist deine Einflussnahme? Wie oft finden solche Sitzungen statt und wie lange dauern sie?

Konkret sitze ich im Deutschen Kulturrat im Fachausschuss Arbeit und Soziales. Wir treffen uns drei-, viermal im Jahr. So ähnlich ist es auch bei der BAGSV. Die Sitzungen dauern mal einen halben, oft auch einen ganzen Tag. Für viele Verbände reisen die Stellvertreter ja aus dem gesamten Bundesgebiet an. Die Einflussnahme ist natürlich relativ. Im Kulturrat sind auch Angestellte vertreten, da ist die Schnittmenge häufig nicht so groß. Dafür arbeiten wir alle im gleichen Bereich und haben mit Monika Grütters, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, eine direkte Ansprechpartnerin, die für uns als Kulturschaffende einsteht. In der BAGSV können wir unsere Arbeit im Hinblick auf die Sorgen und Nöte als Selbstständige formulieren. Da sitzen wir dann in einem Boot mit Stuntleuten, ITlern oder Veranstaltungsmanagerinnen. In Corona-Zeiten heißt das bei der Kulturstaatsministerin: Wie können wir dem Kunst- und Kultursektor helfen? Die BAGSV zielt auf Hubertus Heil, den Bundesminister für Arbeit und Soziales, der Solo-Selbstständigen unter die Arme greifen muss.

Hat sich Deine Arbeit durch das Corona-Virus verändert und falls ja, inwiefern?

Ja, unbedingt! Von Anfang an war klar, dass wir massiv betroffen sind, nicht alle, aber viele und vor allem auch auf unterschiedlichste Weise. Eines der allerersten denkwürdigen Ereignisse war ja die Absage der Leipziger Buchmesse Anfang März. Von da an wurde es richtig turbulent. Das ist auch nicht verwunderlich, da die Pandemie ja präzedenzlos ist. In der ersten, recht chaotischen Zeit ging es vor allem darum, uns zu positionieren und gleichzeitig zu verfolgen, was die Politik von uns fordert bzw. für uns bereitstellt.

Du hast Anfang März die vom Kulturrat initiierte Blitzumfrage, in der es um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf unsere Branche ging, unter den VFLL-Mitgliedern gestartet. Wie war die Beteiligung und wie die Ergebnisse?

Die Beteiligung war fantastisch! Nicht nur die absolute Zahl der Antworten war beeindruckend, auch die Vielfalt der Antworten, die die verschiedensten Arten unserer Arbeitsweisen und unserer Betroffenheit spiegelt. Von Überlastung wegen fehlender Kinderbetreuung über Honorarkürzungen bis zu ausgefallenen oder abgesagten Projekten war alles dabei. Viele prognostizierten auch „Spätfolgen“ im Herbst, weil momentan sehr viele Projekte auf Eis gelegt wurden. Wir werden deshalb in absehbarer Zeit noch einmal nachhaken und sind sehr gespannt, ob sich eher die Hoffnungen oder die Befürchtungen bewahrheitet haben.

Gibt es derzeit Neuigkeiten, die uns als freie Lektorinnen und Lektoren betreffen?

Aktuell haben wir im Deutschen Kulturrat eine Resolution zur Grundrente erarbeitet, damit diese auch wie geplant 2021 kommt. Trotz Corona dürfen ja die anderen wichtigen Baustellen nicht pausieren. Aber es gibt natürlich zurzeit täglich Neues, mit den wachsenden Erkenntnissen der Wissenschaftler in der Corona-Krise ändern sich auch die Maßgaben der Politik für uns. Für Abschließendes ist es definitiv zu früh. Aber als Einzelkämpfer*innen sind die meisten von uns ja gewohnt, auf Herausforderungen aktiv zu reagieren.

Interview: Sibylle Schütz
Beitragsfoto (groß): kennetjanks auf Pixabay


Doris Schemmels Website und Profil im VFLL-Verzeichnis


Weitere Infos zur Lobbyarbeit:
Deutsche Literaturkonferenz, sie ist Mitglied im Deutschen Kulturrat für die Sektion Literatur
Deutscher Kulturrat
Bundesarbeitsgemeinschaft der Selbstständigenverbände (BAGSV), der VFLL ist dort einer der 24 Mitgliedsverbände


Weitere Blogbeiträge:
Infos zur Coronakrise und Linksammlung finanzieller Maßnahmen für Solo-Selbstständige

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