Symbolbild: Arbeit einer Literaturagentur

Was eine Literaturagentin mit James Bond gemein hat

Zum „Gespräch mit einer Literaturagentin“ hatte die Regionalgruppe Niedersachsen im April auf Zoom eingeladen. Als Referentin war Sabine Langohr von der Literaturagentur Keil & Keil zu Gast und stellte die Arbeit einer Literaturagentin vor. Christiane Saathoff war an dem Abend dabei und hebt in ihrem Rückblick die Gemeinsamkeiten zum Lektorat besonders hervor.

Von Christiane Saathoff

Referentin des Themenabends: Sabine Langohr von der Literaturagentur Keil & Keil in Hamburg

Als ich an einem regnerischen Abend im April meiner zwölfjährigen Tochter erzähle, dass ich zum Zoommeeting mit einer Literaturagentin im Arbeitszimmer verschwinden werde, sieht sie mich auf dem Weg zu einem konspirativen Treffen mit einer Kollegin von James Bond. Klar, die Literaturbranche unterscheidet sich deutlich von der Tätigkeit der Geheimdienste, aber was macht eine Literaturagentin genau und wie ist ihr beruflicher Werdegang? Sabine Langohr von der Literaturagentur Keil & Keil in Hamburg weiß darüber auf wunderbar unterhaltsame Weise zu berichten. Beim Themenabend der VFLL-Regionalgruppe Niedersachsen steht sie achtzehn Lektorinnen aus Niedersachsen und Hamburg Rede und Antwort, dabei wird schnell deutlich: So ganz unterschiedlich sind die Arbeitsweisen in einer Literaturagentur und im Lektorat gar nicht.

Wie wird man Literaturagentin?

Sabine Langohr absolvierte eine Ausbildung zur Buchhändlerin, studierte Anglistik und Germanistik, war unter anderem bei Libri.de und als Marketingberaterin tätig und baute die Hamburger Buchhandlung stories! auf. Im Jahr 2013 trat dann Keil & Keil an sie heran, damit war der Weg in die Welt der Literaturvermittlung eröffnet. Eine besondere Ausbildung zur Agentin gibt es nicht, learning by doing ist die Devise, und das ist ihr ganz ausgezeichnet gelungen.

Der große Durchbruch

Als Sabine Langohr erzählt, mit welchem Romanmanuskript sie ihren ersten großen Erfolg als Agentin hatte, scheint Bewunderung in den Gesichtern der Teilnehmerinnen auf: „Altes Land“ von Dörte Hansen. Ein wunderbarer Roman. Und wunderbar, mit welchem Enthusiasmus die Entdeckerin dieses Kleinods erzählt, wie sie gegen alle Widerstände („Die Geschichte passt doch in keine Schublade!“) diesen intelligenten Frauenroman in einem großen Verlag unterbrachte. Wir lernen: Es braucht ein gutes Näschen und viel Fingerspitzengefühl, um das Manuskript, das einen selbst so fasziniert, zur rechten Zeit an der rechten Stelle anzubieten. Wenn dann ein Verlagsvertrag mit anständigem Vorschuss vereinbart wird – gut. Wenn das Manuskript aber so wahnsinnig gut ist, dass sich die Verlage in einer Auktion überbieten, um den Text einzukaufen – noch besser. Es ist förmlich zu spüren, wie kribblig manche solcher Situationen sind, und wie erhebend es sich anfühlt, wenn das Geschäft gelingt.

Eine kreative Partnerin und Anwältin

Sabine Langohr sieht sich als kreative Partnerin und Anwältin ihrer Klientinnen und Klienten. In ihrem Namen handelt sie die Bedingungen des Verlagsvertrags aus: Vorschuss, prozentuale Gewinnbeteiligung, Vergabe der Nebenrechte an Taschenbuch- und ausländische Verlage, Hörbuchverlage oder Filmproduktionen. Dabei geht es nicht ausschließlich darum, den größten Gewinn zu erzielen, sondern auch darum, die Autorinnen und Autoren gut unterzubringen, damit sie sich im Verlagsumfeld wohlfühlen und eine langfristige Zusammenarbeit entsteht. Dafür erhält Sabine Langohr einen kleinen prozentualen Anteil an den Einnahmen der Autorin oder des Autors.

Die Zusammenarbeit mit Verlagen

Wichtig ist: Die Begeisterung für einen Titel muss alle, die am Vertrieb des Buches beteiligt sind, voll erfassen. Wenn das Lektorat nicht für das Buch brennt, kann der Funke kaum auf den Vertrieb überspringen, und wenn die Vertriebsabteilung die Faszination nicht an die Vertreterinnen und Vertreter weitergeben kann, wird man in der Buchhandlung auf wenig Interesse stoßen. Das Aus für jedes gute Manuskript. Deswegen muss zuerst die Agentin Feuer fangen, und das ist leider nur bei 0,1 Prozent der knapp 3.000 jährlich in der Agentur eingereichten Texte der Fall.

Stummes Kopfnicken und Erstaunen sind im Zoomraum zu sehen. Klar, auch wir als freie Lektorinnen und Lektoren kennen die wenig durchdachten Texte, die uns auf den Tisch flattern, aber ein Standard­antwortschreiben haben dafür sicher die wenigsten. Bei der Keil & Keil Literatur-Agentur gibt es eine Standardabsage, allerdings wird sie nur in Ausnahmefällen versandt. Meistens wird keine Antwort verfasst, weil das zu aufwendig wäre.

Der Plot muss stimmen

Hat eine der eingesandten Leseproben es dann doch geschafft, Sabine Langohrs Interesse zu wecken, fordert sie das gesamte Manuskript an, und wenn auch das überzeugt, erfolgt eine Einladung in die Agentur, um sich zu beschnuppern. Stimmt die Chemie, geht die richtige Textarbeit los.

An dieser Stelle werden die Gemeinsamkeiten zum Lektorat deutlich: In einem ersten Durchgang prüft die Agentin Plot, Dramaturgie, Figurenentwicklung und Dialoge, merkt Unstimmigkeiten an, macht Vorschläge. So geht die Zusammenarbeit weiter, bis am Ende ein abgabefertiger Text zur Hand ist. Anders als wir es gewohnt sind, steht dabei vor allem der Inhalt im Vordergrund, dem Stil und der Rechtschreibung widmet sich später intensiv das Verlagslektorat.

Auf die Frage, was die Agentin an einem Manuskript überzeugt, lautet die Antwort: Qualität, Qualität, Qualität. Und Qualität. Alles andere kann man nacharbeiten.

Ein harter Brocken: das Exposé

Ein weiterer wichtiger Teil der Arbeit als Agentin ist die Unterstützung beim Erstellen des Exposés, da ist Sabine Langohr streng. Manchmal zu streng, wie sie schmunzelnd zugibt, aber es ist nun mal die Eintrittskarte in den Verlag, daher klappt es niemals im ersten Anlauf. Egal ob drei oder fünf Seiten lang, es muss professionell, durchdacht und strukturiert sein. Idealerweise zeigt es den gesamten Inhalt, die dramaturgische Linie und vermittelt Ton und Stil des Buchs, dazu eine stimmige Einschätzung der Zielgruppe. Kommt ein akzentuierter Pitch hinzu – perfekt. Und ein Klappentext? Unnötig, Klappentexte erstellt nur der Verlag, nie die Autorin oder der Autor.

Doch ein bisschen James Bond

Momentan betreut Sabine Langohr 45 Autorinnen und Autoren. Sie fährt auf Buchmessen, führt viele Gespräche, knüpft Kontakte, netzwerkt im besten Sinne und ist stets auf der Suche nach „dem einen Manuskript“, das sie so mitreißt wie jüngst ein Roman über eine außergewöhnliche Männerfreundschaft.

An dieser Stelle hätten wir die Agentin am liebsten mit tausend Fragen gelöchert, zu gern wollten wir wissen, wann, wo und unter welchem Titel das wunderbare Werk erscheinen wird. Aber da bleibt Sabine Langohr diskret wie beim echten Geheimdienst. Verrate niemals, wer dir den Auftrag gegeben hat, bevor er nicht abgeschlossen ist, na klar. So weht am Ende doch ein Hauch von James Bond durch den Raum – vor allem aber die unglaubliche Begeisterung für gute, unterhaltende Literatur und den Literaturbetrieb an sich. Wir sind hingerissen.

Christiane Saathoff, VFLL-Mitglied und Autorin des Beitrags

Text: Christiane Saathoff
Fotos: © Sabine Langohr/Herbert Lojak; Christiane Saathoff/Imke Theis, Hannover, graphiste.de;


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3 Gedanken zu „Was eine Literaturagentin mit James Bond gemein hat

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  3. Katja Treu

    Danke für den gut geschriebenen und interessanten Bericht! Die Arbeit einer Literaturagentin zeigt nicht nur Parallelen zu James Bond, sie erinnert mich auch ans Goldschürfen. Wahrscheinlich ist den wenigsten Autor:innen das Verhältnis „3 zu 3.000“ klar, dass also nur drei von dreitausend eingereichten Manuskripten von Agenturen weiterbetreut werden – und auch dafür ist eine Verlagsveröffentlichung keineswegs sicher.

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