Der VFLL ist eine Fundgrube an interessanten Menschen, die sich intensiv mit Lektorat, Korrektorat, Schreibcoaching oder dem Verfassen von Texten beschäftigen – aber nicht nur das. Zu ihnen gehört auch Bärbel Mäkeler, die neben ihrer Arbeit als Lektorin und Texterin noch Bücher schreibt, Fotografie-Ausstellungen organisiert und als Stadtführerin in Braunschweig unterwegs ist. Ein sehr umfangreiches und recht buntes Portfolio.
Du hast eine Vielzahl von interessanten Beschäftigungen. Mit welcher hast du angefangen und wie kam es, dass sich die anderen dazugesellten?
Manches hat sich parallel entwickelt, eines startete früh – die Fotografie – nämlich schon 1980. Da begann ich, mit einer Canon AE1 zu fotografieren. Diese Leidenschaft versank irgendwann im Strudel vieler anderer Interessen. Erst als digital fotografiert wurde, stieg ich wieder ein. Mein Mann schenkte mir 2011 eine Digitalkamera. Das wiederum war der Startpunkt für mein erstes Buch: „Von Flugdächern und Zugvögeln – die Fünfzigerjahre im Stadtbild Braunschweigs“, das 2014 auf den Markt kam. Fast alle Fotos in dem 400-seitigen Buch sind von mir. Daraus entwickelte sich dann die Idee, diese Bilder nicht im Archiv verschwinden zu lassen, sonders sie auszustellen. Also wieder ein Beginn einer Lebensschleife: Seitdem habe ich einige Einzelausstellungen und viele Gruppenausstellungen mit anderen Künstlern bestritten. Dies wiederum war der Anfang meines Engagements in einem Kunstverein, in dem ich unterdessen zweite Vorsitzende bin.
Schon seit 1995 befasse ich mich mit Buchstaben – ich begann mit Korrekturlesen, was sich hin zum Lektorat ausdehnte. Macht frau Texte schön, wird sie auch gefragt, ob sie mal eben einen kleinen Text verfassen könnte. Habe ich dann auch gemacht und bin dabei geblieben. Seitdem schreibe ich Blogartikel und beispielsweise Kolumnen in der Braunschweiger Zeitung. Mein zweites Buch ist im Sommer herausgekommen. Und ein weiteres ist in der Pipeline …
Kann frau mit Worten umgehen, wird sie folgerichtig gefragt, ob sie ihr Wissen auch in Seminaren weitergeben könne. Das habe ich jahrelang mit Freude getan.
Besonders spannend finde ich dein neues Buch „1000 Tage Savoy“, das im Juli erschienen ist. Wie kam es dazu?
Ja, das entwickelte sich aus einem Sommerabend im Garten, als ich meiner Tochter und meinem Mann einen Schwank aus meiner damaligen Zeit als Geschäftsführerin des Varietés Savoy erzählte. Meine Tochter wurde hellhörig und sagte: „Mensch Mama, das musst du doch alles aufschreiben – das war ja alles ganz anders als heute!“ Gesagt, nachgedacht und nach kurzer Überlegung auch getan … es wurde eine Mischung aus Erinnerungen und Zeitdokumenten, die ich noch hatte, nach denen ich recherchierte oder die andere beisteuerten.
Du warst Geschäftsführerin im Savoy. Hast du eine kaufmännische Ausbildung und hattest du ein Minimum an Ahnung davon, welche Aufgabenbereiche dich da erwarten oder hast du dich in diese Aufgabe mutig hineingestürzt?
Nein und ja. Ich hatte keine Ausbildung, allerdings schon einen Laden mit Glaswaren; ich wusste also, was die Begriffe Umsatz, Kosten und Margen bedeuten. Außerdem hatte ich während meines Studiums in Kneipen und Cafés gejobbt, traute mir das also zu. Aber mutig war es trotzdem, immerhin hatte der Laden 160 Sitzplätze und mein Ausgabenspektrum mit Personalverantwortung war recht groß.
Wie hast du es erreicht, dass solche Größen wie zum Beispiel der Musiker Bill Ramsey, die Band Element of Crime, der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch oder die Schauspielerin Lisa Fitz bei dir auftraten? Braunschweig ist ja nun nicht gerade das Mekka der Kabarett-und Musikszene.
Das hatte die ersten anderthalb Jahre mein Geschäftspartner zu verantworten und später trat ich in seine Fußstapfen, als er den Laden verließ. Die Kontakte hatten wir dann ja schon und das Savoy hatte in der Musikszene einen guten Ruf. „Braunschweig ist ja nun nicht gerade das Mekka der Kabarett-und Musikszene“, sagst du. Stimmt, Braunschweig als Zonenrandgebiet galt als provinzlerisch. Trotzdem gab es bei uns in der Mitte der Achtziger rund 250 lokale Bands, das war schon was!
Was waren die beeindruckendsten, schönsten und auch die traurigsten Momente im Savoy?
Das beeindruckendste Erlebnis war ein Konzert – das mit Chet Baker, der Wahnsinn. Übrigens das letzte Konzert, das er vor seinem Selbstmord in Deutschland gegeben hat. So einfühlsam, melancholisch, zerbrechlich …
Ja, und traurig war schon der Abgang des Geschäftspartners. Man glaubt ja immer, das passiert einem nicht, man macht es besser als andere. Auch traurig waren die Momente, wenn wir einsehen mussten, dass die Bühnengäste nicht die Massen anzogen, die wir erwartet hatten.
Du fotografierst leidenschaftlich gerne. Das machen viele Leute, doch die wenigsten kreieren aus ihren Fotos auch Ausstellungen. Wie kam es dazu?
Wie schon erwähnt, kam der erste Anstoß dazu, dass ich um die 8.000 Fotos von Braunschweig für mein Buch über die Architektur und Kunst der Fünfzigerjahre im Computer hatte und dachte: „Was machst du nun damit? Das Buch ist fertig – ist doch schade um die vielen Fotos.“ Und so ging es dann weiter, dass ich meine Lieblingsmotive Rost, alte Autos und Strukturen irgendwie und irgendwem zeigen wollte. Ich bin keine Fotografin, fachsimple nicht über Blenden und Tiefenschärfe, mein Blick auf die Dinge macht meine Fotos aus. Ich hab mich halt getraut (lacht).
Wann hast du mit dem Lektorat und dem Texten angefangen? Bist du schon lange im VFLL?
Das war 1995, als meine Tochter drei Jahre alt war, seit ca. 2002 habe ich dann auch lektoriert und getextet. Ich glaube, seit 2004 bin ich im Verband, habe dann die Regionalgruppe für Niedersachsen mit aufgebaut.
Zu guter Letzt betätigst du dich auch noch als Stadtführerin. Wie hat sich das entwickelt und wie häufig führst du durch Braunschweig?
Das kam durch mein erstes Buch. Auch hier habe ich mich gefragt, was ich denn mit meinem ganzen Wissen über die Fünfziger in Braunschweig anfangen soll. Da boten sich Stadtführungen an. Anfangs habe ich bestimmt rund zehn öffentliche und einige private gebuchte Rundgänge pro Jahr gemacht, heute sind es weniger, da ich oft im Wendland bin.
Was machst du von deinen zahlreichen Tätigkeiten am liebsten? Wo fließt die Freude am meisten?
Mhm. Ich glaube, mein Herz hängt am Konzipieren und Strukturieren eines neuen Buches. Ich liebe es, Informationen zu sammeln, wieder ein Puzzleteilchen gefunden zu haben, Leute zu befragen, das „Werk“ wachsen zu sehen und in Ruhe daran rumzubasteln. Ohne Druck, aber gedanklich fast immer dabei. Bei meinem ersten Buch habe ich es mit dem Gefühl des Verliebtseins verglichen, also ein Hochgefühl, das mich antreibt und beflügelt.
Interview: Sibylle Schütz
Foto: (c) Bärbel Mäkeler / Angela von Brill
Beitragsfoto: (c) Bärbel Mäkeler / privat
Weitere Infos und Links:
Alternativer Kunstverein Braunschweig
Mäkeler, Bärbel: 1.000 Tage Savoy – eine Dokumentation, Selbstverlag, Braunschweig 2022
Das Buch ist erhältlich über die Autorin selbst und in diesen Buchhandlungen: Benno Göritz, Buchhandlung Graff, Buchhandlung Pfankuch, Bücher Behr (WF) Guten Morgen Buchladen, Leseratte und vor Ort in Braunschweig: art plakat, Bergmann – Elektrizität & Gas, Guitar Shop, Musikalien Bartels, Musikhaus Schulte.
Zum Buch
Bärbel Mäkelers Website und Profil im VFLL-Verzeichnis
Weitere Beiträge über Bärbel Mäkeler:
Zurück in die Wirtschaftswunderzeit (2016)
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„Ich wollte immer einen kreativen Beruf ergreifen“ (2022)
„Wo sonst kann man so hemmungslos über Metaphern und Kommata streiten?“ (2022)
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