„Wo sonst kann man so hemmungslos über Metaphern und Kommata streiten?“

Nicht nur Lektorin ist sie, sondern auch Autorin, Herausgeberin und Organisatorin (zum Beispiel im Team der Fachtagung Freies Lektorat 2022 in Halle). Marianne Eppelt managt oben genannte Bereiche und engagiert sich zudem in verschiedenen Netzwerken wie den BücherFrauen, deren Vorsitz sie seit 2021 innehat. Wie es dazu kam, berichtet sie in diesem Beitrag.

Wie kamst du zum Lektorat? Hat dich Lesen und Texte verfeinern immer schon interessiert?

Tja, das Lesen schon, das mit dem Texteverfeinern kam dann irgendwann dazu. Zum Beruf Lektorin kam ich durch VFLL-Mitglied Monika Rohde (VMR — Verlagsservice Monika Rohde). Ich durfte nach dem Studium ein Praktikum bei ihr machen, und sie seither auch immer mit Fragen löchern. Gerade beim Schritt in die Selbstständigkeit nach dem Volontariat hat sie mir Mut gemacht und mich maßgeblich unterstützt.

Hast du bestimmte Schwerpunkte?

Ich bearbeite vornehmlich Sachtexte, gerne auch akademische und aus den Geisteswissenschaften, aber auch erzählende Sachbücher.

Zusätzlich kenne ich mich mit dem Thema Gendern gut aus. Mich interessiert, was wir mit Sprache alles machen können. Daher beschäftige ich mich mit wertschätzendem Sprachgebrauch und diskriminierungskritischer Sprache.

Was bietest du außer dem Lektorat noch an? Gibt es etwas, das dir besonders Spaß macht?

„Lektorat“ ist ja schon ein sehr weiter Begriff, unter den viele Formen von Textarbeit gezählt werden können. Allgemein gefällt mir der Part etwas besser, bei dem ich mit Stil, Ausdruck und Textaufbau arbeite. Literaturverzeichnisse zu prüfen oder fokussiert klassisches Korrekturlesen macht mir aber auch Spaß. Es kommt da mehr auf die richtige Balance an.

Ansonsten schreibe ich auch Texte, zum Beispiel über Stadtgeschichte und auf meinem leider sehr vernachlässigten Blog. Dazu organisiere ich gerne, mache also auch Projektmanagement, wie aktuell bei meiner Teilzeitstelle im Verlag w_orten & meer, und strukturiere den Arbeitsprozess vom Manuskript bis zum Buch in der Buchhandlung. Das Schöne bei kleinen Verlagen ist die Vielfalt der Aufgabenpalette, so lese ich mich auch durch englische Verträge und arbeite an Förderanträgen.

Seit wann bist du beim VFLL und was schätzt du am Verband?

Ohne nachzusehen vermute ich, dass ich 2016 mit Beginn meiner Selbstständigkeit dem VFLL beigetreten bin.

Ich schätze den offenen Austausch mit all den vielen Sprach-Nerds sehr. Wo sonst kann man so hemmungslos über Metaphern und Kommata streiten? Gerade da ich so viel Zeit allein mit mir und dem Text am PC verbringe, möchte ich die regelmäßigen Treffen (digital oder in Präsenz) nicht missen. Persönlich wie professionell habe ich zudem sehr von meinem Engagement als Delegierte der RG Leipzig profitiert. Das hat die Tür zu ganz neuen Themen und Betätigungsfeldern geöffnet sowie vor allem überregional zu neuen Menschen.

Du bist letzten Herbst zur ersten Vorsitzenden der BücherFrauen, des Berufsnetzwerks für Frauen aus allen Bereichen rund ums Buch, gewählt worden. Bist du schon lange dort aktiv?

Bei den BücherFrauen bin ich etwa seit 2012/13; auch auf Anregung von Monika Rohde hin. Ich war damals gerade auf der Suche nach einem Volontariat und schon sehr verwundert über diese merkwürdige Frauen-Männer-Aufteilung in den Verlagen. Oben in der Chefetage saßen nur Männer und in der Ebene darunter dann nur Frauen – Ausnahme war, wenn „Technik“ dabeistand. Das ist jetzt etwas überspitzt formuliert, aber es war auffällig genug. Darüber hinaus bot das Netzwerk Kontakte in die Branche. Tatsächlich habe ich mein Volontariat dann auch über eine Nachricht auf der BücherFrauen-Mailingliste gefunden.

Richtig engagiert habe ich mich ab 2016 als Messekoordinatorin, zudem habe ich die RG Mitteldeutschland (vormals Leipzig) wieder reaktiviert. Beides hat wirklich sehr viel Spaß gemacht und ganz besonders hat mich gefreut, dass ich mein RG-Sprecherinnenamt 2021 in gute Hände abgeben konnte. Sehr lehrreich waren für mich auch die Organisation der Jahrestagung 2018 in Bonn und die Mitarbeit bei der AG Website, die die neue Homepage der BücherFrauen auf den Weg gebracht hat.

Ganz allgemein möchte ich ermutigen, sich zu engagieren. Egal wo. Ich habe jedes Mal so viel gelernt. Sei es über die technischen Zusammenhänge bei Websites, wie man auf der Frankfurter Buchmesse ein Catering organisiert oder auch einfach wie man in Gruppen gemeinsam eine Aufgabe meistert, obwohl alle dachten, davon keine Ahnung zu haben. Was dann nie so ist. Ganz abgesehen von all den spannenden Menschen, die ich so kennengelernt habe. Ich hätte niemals so einen umfassenden Einblick in die Branche und die Feinheiten unseres Berufs gewonnen, wenn ich nur allein für mich zuhause gesessen hätte. Ach ja, und Spaß macht es auch.

Du bist auch Herausgeberin des Buches „Leipzig zum Verweilen“. Wie kam es dazu? Hat dir diese Art von Arbeit Freude bereitet und folgen eventuell noch weitere Werke?

Auch so eine Netzwerk-Geschichte, mir scheint, es gibt da ein Muster … allerdings bei den JVM, den Jungen Verlags- und Medienmenschen. Zu diesen bin ich während meines Volontariats 2014/15 gestoßen, weil sie sich so stark für die faire Entlohnung von Volontariaten einsetzen. Hier habe ich die großartige Britta Fietzke (ebenfalls VFLL-Kollegin) kennengelernt, die mich einer Lektoratskollegin bei Reclam empfohlen hat, als diese eine Herausgeberin für den Leipzig-Band der „zum Verweilen“-Reihe suchte. Geschichte und Stadtgeschichte gehören zu meinen Steckenpferden, aber ich war dennoch ziemlich überrascht. Es war toll, einfach mal drauflos recherchieren zu können und sich auf den kreativen Teil beim Schreiben zu konzentrieren, ohne diese chronisch kritische Rolle als Lektorin einnehmen zu müssen.

Weitere Werke habe ich aktuell nicht in Planung. Eher ‚kleinere‘ Formate, wie einen Artikel über Gendern und diskriminierungskritische Sprache für das „Handbuch Literarisches Übersetzen“ vom BDÜ (Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer), an dem ich gerade arbeite.

Hast du ein bestimmtes Interesse/Hobby, das einen guten Ausgleich für die viele Schreibtischarbeit darstellt?

So nötig so ein Ausgleich ist, ob das ein Hobby ist oder doch eher Gesundheitsprävention?

Für mich fühlt es sich eher wie Letzteres an. Doch ich gehe recht regelmäßig laufen und mache ein bisschen Kraftsport. Aber eigentlich lese ich lieber (aktuell Oksana Sabuschko: Museum der vergessenen Geheimnisse), schaue Serien (What we do in the Shadows) oder spiele Videospiele (Star Wars Jedi: Fallen Order). Dinge, die man in einem gemütlichen Sessel und in Reichweite eines passenden Getränks tun kann.

Interview: Sibylle Schütz 
Foto: © Marianne Eppelt/Ildiko Sebestyen


Links zu den im Text genannten Personen und mehr

Verlagsservice Monika Rohde
w_orten & meer – Verlag für diskriminierungskritisches Handeln
Junge Verlags- und Medienmenschen
Britta Fietzke, Lektorat Sachverstand


Marianne Eppelt (Hrsg.): Leipzig zum Verweilen. Mit Geschichten die Stadt entdecken. Reclam, 2020, Broschur, 112 Seiten, 10,00 Euro, ISBN 978-3-15-020565-5.

Das Buch beim Reclam-Verlag.

Das Buch ist außerdem über den Buchhandel und online erhältlich.


Marianne Eppelts Website und Profil im VFLL-Verzeichnis


Weitere Blogbeiträge aus dieser Reihe:

„Ich wollte mich nach Lust und Laune weiterbilden“ (2022)
„Ich hab einfach gemacht und dabei gelernt“ (2022)
„Ich habe gelernt, mehr auf mein Herz als auf meinen Kopf zu hören“ (2022)
„Der Name Textzicke passt ja auch irgendwie zum Lektorat“ (2021)
„Ich freue mich ungemein an kuriosen Fragen“ (2021)
„Mein Kindheitstraum war, dass ich irgendwann den Nibelungenschatz heben würde …“ (2021)
„Typisch gibt es bei mir nicht“ (2021)
„Ich bin wirklich aus allen Wolken gefallen“ (2020)
„In Südafrika lebt es sich ganz ‚lekker‘“ (2020)
„Heute bin ich mit vielen Schreibenden und anderen Kulturschaffenden vernetzt“ (2020)

2 Gedanken zu „„Wo sonst kann man so hemmungslos über Metaphern und Kommata streiten?“

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