Thema Digitalisierung_VFLL-Zukunftswerkstatt

Digitale Anforderungen an Freie Lektorinnen und Lektoren

Vieles befindet sich derzeit im Umbruch. Digitalisierung, künstliche Intelligenz in der Texterstellung und -bearbeitung, neue Formen der (Zusammen-)Arbeit und der Sprachwandel generell sind hier treibende Faktoren. Die Coronapandemie hat die Veränderungsprozesse in diesen Bereichen noch beschleunigt. Im September waren die VFLL-Mitglieder und Gäste eingeladen, an einer virtuellen „Zukunftswerkstatt Freies Lektorat“ teilzunehmen, um gemeinsam mit Gästen aus der Verlags- bzw. Publishingbranche die berufsbedingten Veränderungen und damit die Zukunft des Lektorats zu diskutieren.

von Uschi Pein-Schmidt und Regina Scheibe

Im Rahmen der Zukunftswerkstatt fanden verschiedene sehr interessante Kleingruppengespräche statt. Eine Kleingruppe bildete sich zum Thema „Technische Anforderungen im Lektorat“. An diesem Gespräch nahm auch Martin Bergmann, Programmleiter des Schäffer-Poeschel Verlags, teil. Das Spannende an der Arbeit in den Kleingruppen war, dass es im Open-Space-Format gerade nicht darum ging, einer Expertin oder einem Experten zu ,lauschen‘. Vielmehr handelte es sich um eine offene Runde, bei der alle gleichberechtigt zum Thema sprachen. So entstand zwischen den Freien Lektor*innen und dem Verlagsrepräsentanten ein reger und spannender Gedankenaustausch zum Thema ,Technik‘.

Folgende Schlüsselaspekte wurden diskutiert:

Digitale Ausstattung und Know-how

  • Die Verlagswelt ist trotz zunehmender Digitalisierung im Umfeld weiterhin sehr heterogen. Der Einsatz neuer Software ist dabei stark vom Kund*innenwunsch abhängig.
  • Die neuen digitalen Tools stellen für Freie Lektor*innen einerseits eine Herausforderung dar; andererseits ergeben sich nach einer gewissen Einarbeitungszeit aber auch bestimmte Vorteile, wie z. B. eine Vereinfachung des Arbeitsprozesses und eine damit verbundene Zeitersparnis.

Interessante Programme und Tools

  • Tools für den Satz: Zahlreiche Verlage nutzen zur Erstellung des Drucksatzes InDesign und InCopy.
  • Tools für die Textkorrektur: z. B. OpenOffice, Language Tool (verfügbar für unterschiedliche Sprachen), Duden Mentor, Papyrus Author und ähnliche Programme zur Textkorrektur können uns bei unserer Arbeit unterstützen. Sie weisen aber auch Schwachstellen auf.
  • Tools für Videokonferenzen und Chats: Senfcall, BigBlueButton, Zoom und Microsoft Teams

Schulung durch Verlage

  • In manchen Verlagen werden komplexe Redaktionssysteme verwandt.
  • Einige dieser Verlage bieten gezielt Schulungen für diese Redaktionssysteme an. Bei anderen Verlagen verfährt man nach der Learning-by-Doing-Methode oder erfährt eine Unterstützung durch verlagsinterne Redaktionen.
  • Die für eine Verlagsschulung aufgewendete Zeit kann generell nicht von Lektor*innen abgerechnet werden. Verlage sehen eine solche Schulung wohl als Zukunftsinvestition der Freien Lektor*innen an.

Verlagssicht

  • Es gibt eine Menge neuer Workflows in den Verlagen: die Manuskriptbearbeitung erfolgt in der Regel in Word-Dokumentvorlagen, anhand derer Setzer*innen genau sehen können, welche Stilvorlagen für den entsprechenden Absatz, die Überschriften usw. verwendet werden sollten (Dokumentenvorlage als Satzvorlage).
  • Diese Word-Dokumentvorlagen bilden die Schnittstelle für die InDesign-Produktion.
  • Eine hohe Flexibilität der Freien Lektor*innen wird als selbstverständlich vorausgesetzt, d. h. neue Work-Flows und die damit verbundenen neuen technischen Anforderungen sollen schnell und effizient umgesetzt werden. (Die Sichtweise der Lektor*innen ist hierzu verständlicherweise ambivalent. Einerseits hat die hohe Flexibilität dieser Arbeitsmethode den Vorteil, dass dadurch ein Wettbewerbsvorteil entsteht und Lektor*innen, die dieser Arbeitsmethode nachkommen, eher gebucht werden. Andererseits müssen sich Lektor*innen bei den verschiedenen Verlagen bzw. Kund*innen immer wieder in neue Work-Flows einarbeiten, was zeitintensiv ist und damit das Honorar schmälert, da dieser Aufwand – so wie es auch bei den Verlagsschulungen der Fall ist – nicht gesondert von den Verlagen vergütet wird.)
  • Eine technische Versiertheit in den relevanten Programmen, Work-Flows, Redaktionssystemen usw. ist dabei ein Wettbewerbsvorteil für die Freien Lektor*innen. Aus Verlagssicht könnten sie so selbstständig Projekte übernehmen und würden damit keine Zeit im Verlag binden, da sie ja nicht mehr in bestimmte Abläufe eingewiesen werden müssten. Laut Martin Bergmann würden die Verlage sehr auf das Setting der Freien Lektor*innen achten und dies bei der Vergabe von Projekten berücksichtigen.
  • Martin Bergmann vom Schäffer-Poeschel Verlag berichtet weiterhin, dass Freie Lektor*innen vielfach technisch sehr versiert seien und die Verlage daher vom Technik-Input der Freien Lektor*innen profitieren würden.

Ein Patentrezept, wie man der zunehmenden Digitalisierung und den technischen Anforderungen Rechnung tragen kann, ohne Honorare, inhaltliches Arbeiten, die eigene Work-Life-Balance usw. aus den Augen zu verlieren, haben wir erwartungsgemäß in der Kleingruppe nicht gefunden. Aber die Grundstimmung in der Gruppe war eindeutig: Neugierig und offen bleiben – viele Erneuerungen verlieren ihren Schrecken, sobald sie zur Routine werden.


Dr. Regina G. Scheibes Website und Profil im VFLL-Lektoratsverzeichnis
Uschi Pein-Schmidts Profil im VFLL-Lektoratsverzeichnis


Weitere Beiträge zur VFLL-Zukunftswerkstatt:
Open Space – ein großer Gewinn für den VFLL (2021)

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