Was lange währt, wird endlich gut!

Die VFLL-Regionalgruppen Frankfurt und Stuttgart veranstalteten im Juni einen gemeinsamen Sommerausflug nach Heidelberg. Warum aus der ursprünglichen Idee ein Termin mit einer sehr langen Vorlaufzeit wurde und dennoch die beiden Gruppen einer Wiederholung nicht abgeneigt sind, berichtet Michael Zuch, einer der beiden Sprecher*innen aus Frankfurt.

Von Michael Zuch

Es war einmal vor vielen Jahren, genau gesagt 2019, als Mitglieder der beiden Regionalgruppen Stuttgart und Frankfurt während der Fachtagung Freies Lektorat die Idee hatten, den traditionellen Sommerausflug ihrer Regionalgruppen gemeinsam zu unternehmen. Nach einem Blick auf die Landkarte war das Ziel schnell gefunden: die Stadt Heidelberg. Nicht nur, dass sie genau in der Mitte zwischen beiden Städten liegt (Luftlinie 78,52 km), nein, sie liegt auch idyllisch am Neckar und birgt allerlei Sehenswürdigkeiten, was sie auch dem Umstand verdankt, eine seit etlichen Jahrhunderten unzerstörte Stadt zu sein – bis auf das sagenumwobene Schloss, was den Teilnehmer*innen noch einiges Kopfzerbrechen bereiten sollte. Doch dazu später mehr.

Die Planung

Der Idee folgte zu Beginn des Jahrs 2020 die Planung. Die in Heidelberg lebende Patin des Sommerausflugs, Silvia Schröer, aus der Stuttgarter Regionalgruppe schlug eine Stadtrallye vor, die Teilnahmeumfragen unter den Mitgliedern der Regionalgruppen ergaben große Zustimmung, auch ein Datum wurde mühelos gefunden. Aber dann kam die Pandemie und ein unbeschwertes Reisen ohne strenge Auflagen war nicht mehr möglich und hinzu kamen die Lokalverbote. Die Regionalgruppe Frankfurt unternahm stattdessen ein Picknick auf dem Heiligenstock am Lohrberg, dem Frankfurter Hausberg. Um es kurz zu machen: Nach dem Motto „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben“ nahmen sich beide Regionalgruppen fest vor, im folgenden Jahr den Heidelbergausflug nachzuholen. Es kam wieder anders, wieder war die Pandemie stärker als der Wunsch beider Regionalgruppen. Und diesmal, im Jahr 2021, fiel bei den Frankfurter*innen wegen eines Gewitters auch das Picknick aus.

Sternfahrt zum Treffpunkt Löwenbrunnen

Im Jahr 2022 wurde unverdrossen erneut geplant. Die Zahl der Interessierten stieg an – und fiel wieder, leider auch coronabedingt. So saßen zuletzt im Juni bei schönstem Sommerwetter zwei Kolleginnen und ein Kollege aus Frankfurt, ausgestattet mit Neun-Euro-Ticket und großer Vorfreude im Regionalzug gen Heidelberg, während sechs weitere Kolleginnen aus anderen Himmelsrichtungen anreisten. Aber so wie wir uns in einer Sternfahrt am Treffpunkt Löwenbrunnen auf dem Universitätsplatz einfanden, stoben wir bald darauf in Dreiergruppen wieder in alle Richtungen auseinander, um in Dreierteams die Stadtrallye zu starten! Der Schreiber dieser Zeilen hatte das Glück, in seinem Team einen Joker, sprich eine Kollegin aus Heidelberg zu haben. Sie leistete für uns Ortsfremde echte Scoutdienste. Danke, Maren!

Die Teilnehmer*innen aus den beiden Regionalgruppen Frankfurt und Stuttgart beim gemeinsamen Sommerausflug nach Heidelberg, Foto: (c) Gisela Stettmeier

Stadtrallye durch Heidelberg

Auf unserer Rallye lernten wir manches von Heidelberg kennen, was arglosen Tourist*innen völlig entgeht. So thront in Nachbarschaft zur Jesuitenkirche hoch über der Straße an einer Hausecke ein Figurenensemble, das nicht so leicht zu deuten ist. Maria hält das Jesuskind im Arm und hilft ihm, die wohl sicher schwere Lanze zu führen, deren Spitze den am Boden liegenden Teufel in Menschengestalt durchbohrt. Dieser Teufel aber symbolisiert den protestantischen Glauben! Damit wollte Kurfürst Johann Wilhelm im 17. Jahrhundert seinem Bestreben Nachdruck verleihen, die protestantische Stadt wieder katholisch zu machen. Erfolg hatte er damit nicht und er verließ sogar frustriert die Stadt, als sich die Bürger Heidelbergs seinen Plänen widersetzten, am Neckar ein Schloss zu bauen.

Die Aufgaben

Auf dem Marktplatz sollten wir, so eine weitere Aufgabe, Einheimische ansprechen und uns nach dem Namen des Oberbürgermeisters erkundigen. Dem müßig vor dem Hotel zum Ritter rauchenden Herrn stellten wir unsere zwei Fragen: Sind Sie von hier, wissen Sie, wie der OB heißt? Er schmunzelte und meinte, wir seien nicht die ersten, die das heute wissen wollten, und Würz heiße er. Er hat das „ner“ vergessen, sagte unsere wissende Scoutin. Gleich darauf mussten wir einem zielstrebig uns entgegeneilenden, auf sein Smartphone starrenden Herrn in hellgrauem Anzug ausweichen. Das war er, sagte unsere Scoutin. Wie bitte? Ja, der Oberbürgermeister Würzner. Mittlerweile klangen Sprachen aus aller Herren Länder an unser Ohr, vor den Cafés wurden die Tische aufgestellt. Unter die Tourist*innen mischten sich Hochzeitspaare samt Gästen, Studierende, Handwerksbetriebe und sicher auch etliche Einheimische, am auffälligsten der Brückenaffe und die Kornmarktmadonna. Den Stationen der Rallye folgend suchten wir unseren Pfad durch immer schmalere und verwinkeltere Gassen. Die Mittagsstunde, die vereinbarte Uhrzeit für das Ende der Rallye, rückte näher und mit dem letzten von der Heiliggeistkirche herüberhallenden Glockenschlag stand unser Team im Hof der Kulturbrauerei, wo die anderen schon an einem langen Tisch versammelt saßen. Oha, das war knapp!

Die Kür

Unsere Stadtführerin bat eine Dame von einem Nebentisch, als neutrale Person darüber zu entscheiden, welches Team am besten bei der letzten Rallyefrage gelogen hat: In drei Sätzen sollten wir beschreiben, warum das Heidelberger Schloss eine Ruine ist. Sie nahm die Zettel zur Hand und las vor:

  1. Als Münchhausen auf seiner Kanonenkugel über die Alte Brücke flog, versagte sein Navigationsgerät. In letzter Sekunde konnte er die Reißleine seines Rettungsschirms ziehen und sicher landen. Die Kanonenkugel jedoch traf das Schloss mit solcher Wucht, dass es zerstört wurde.

  2. Im „Großen Fass“ von Heidelberg saß einst Freund Heine überm Wein.
    Er sann, ob wohl das Fässchen reiche, all seine Sorgen aufzunehmen.
    Er befand tief traurig „Nein“ und schrie laut auf, da stürzt‘ es ein – das Heidelberger Schloss.

  3. Herkulesʼ dreizehnte Aufgabe war es, vom Marktplatz aus einen Felsbrocken auf den Königstuhl zu werfen. Er verfehlte sein Ziel und traf das Schloss. Übrig blieb eine Ruine.

Darin ist ein original „Heidelberger Studentenkuß“ verpackt, Foto: (c) Michael Zuch

Welches Team gewonnen hat, wollen wir an dieser Stelle nicht verraten, liebe Leserin, lieber Leser. Entscheidet für euch selbst, welche Lügengeschichte euch am besten gefällt! Alle erhielten eine Teilnahmeurkunde und die drei vom siegreichen Team je einen „Studentenkuß“ (hat viele Kalorien und ist süß).

 

 

 

 

Tisch im Karzer, Foto: (c) Susanne Warmuth

Als wir nun bei kühlen Getränken und Mittagessen fröhlich beisammensaßen, war das jahrelange Warten auf diesen gemeinsamen Sommerausflug längst vergessen. Auf einige warteten nach dem ausgiebigen Essen leider weitere Verpflichtungen, so zog eine etwas kleinere, aber nicht minder heitere Gruppe noch weiter durch die Altstadt. Nach einer schaurig-romantischen Besichtigung des Karzers seufzten wir, wie schön es doch sei, freie Lektorin und freier Lektor zu sein!

Gemütlicher Ausklang

Im Garten des Kurpfälzischen Museums ließen wir es uns bei Eiskaffee, Tartufo etc. gut gehen und plauderten aus dem Nähkästchen des freien Lektoratsschaffens und über das Leben im Allgemeinen und Besonderen, so etwa auch über die Frage, wie man eine Fahrradkette wieder aufs Zahnrad bekommt, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Noch am Bahnhof, als sich die Gruppe weiter zur Heimfahrt aufteilte, hielt das Sonnenwetter an. Aber als der Zug ausfuhr, setzte der Regen ein, um bald darauf so heftig an den Scheiben hinabzurinnen, dass es uns vorkam, als rollten wir durch eine Waschanlage. Die Bäume und Felder dankten es – und wir der Sonne, dass sie uns so lange an diesem Tag begleitet hat.

So wundert es nicht, dass im Nachklang zu diesem Tag der Wunsch aufkam, solche gemeinsamen Unternehmungen zu wiederholen.

Michael Zuch ist Sprecher der Frankfurter VFLL-Regionalgruppe und Autor des Beitrags

Text: Michael Zuch

Fotos: Gruppenbild, (c) Gisela Stettmeier; Karzer, (c) Susanne Warmuth; „Heidelberger Studentenkuß“, (c) Michael Zuch
Beitragsbild: (c) Katja Rosenbohm


Mehr Infos zur Regionalgruppe Frankfurt auf der VFLL-Website
Mehr Infos zur Regionalgruppe Stuttgart auf der VFLL-Website


Michael Zuchs Website und Profil im VFLL-Verzeichnis


Weitere (Sommer-)Ausflugsbeiträge aus den Regionalgruppen:

Sonne und Licht für die VFLL-Regionalgruppe Bayern (2021)
Abkühlung für Bibliophile (2017)
Auf die Alm – eine Wanderung für die Seele (2016)

 

 

2 Gedanken zu „Was lange währt, wird endlich gut!

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