Das „Handbuch Übersetzungslektorat“ ist ein Projekt, das im Mai 2022 mit einer Zoom-Sitzung mit rund dreißig Interessierten aus dem Verband startete. Der VFLL war vom BDÜ Fachverlag angesprochen worden, ob man sich ein solches Buch vorstellen könne. Im Buch, das im September 2023 erschienen ist, geht es um das Übersetzungslektorat in all seinen Facetten: vom Lektorat einer Literaturübersetzung bis zum Lektorat einer technischen Fachübersetzung, Einstiege in den Beruf, organisatorische Aspekte und vieles mehr. Silke Leibner aus dem Fortbildungsteam sprach mit Meike Blatzheim, Maike Frie und Katharina Herzberger, die zu dritt das Projektmanagement für das Handbuch innehatten.
Das Interview wurde zuerst im verbandseigenen Newsletter „Fortbildung aktuell“ veröffentlicht.
Von Silke Leibner
Ihr arbeitet als Übersetzungslektorinnen. Erzählt uns doch bitte ein wenig über eure Tätigkeit.
Meike Ich arbeite auch als Literaturübersetzerin, daher lektoriere ich ausschließlich literarische Texte (viel Kinder- und Jugendbuch, außerdem Belletristik) für Verlage. Dabei habe ich mich auf „meine Sprachen“ spezialisiert: Norwegisch, Dänisch und Schwedisch. Daneben arbeite ich mit deutschen Autor*innen, sei es im Autorencoaching vor der ersten Veröffentlichung, für Selfpublisher*innen oder im Auftrag von Verlagen.
Maike Auch ich bin ausschließlich im belletristischen Bereich unterwegs. Ich lektoriere hauptsächlich Jugendromane, viel Fantasy, zum Teil für Selfpublisher*innen, aber auch für Schreibende, die erst noch ihren Weg zur Veröffentlichung finden wollen, da ich zusätzlich auch Schreibwerkstätten gebe. Übersetzungslektorate übernehme ich für Verlage, wie Meike aus den skandinavischen Sprachen – und aus dem Englischen.
Katharina Ich habe mich vor etwa anderthalb Jahren als Lektorin und Übersetzerin selbstständig gemacht. Dabei bin auch ich auf Belletristik spezialisiert. Bis zu dem Zeitpunkt als im VFLL-Verteiler nach Freiwilligen für dieses Projekt gefragt wurde, hatte ich nur Originaltexte lektoriert oder selbst übersetzt, also noch keine eigenen Erfahrungen mit Übersetzungslektoraten gemacht. Gerade deshalb fand ich es aber so spannend und wollte unbedingt daran mitarbeiten. In der Zwischenzeit habe ich selbst Übersetzungslektorate übernommen und kann definitiv sagen, dass mir dieses Buch dabei geholfen hat.
Ihr habt das Projektmanagement für das Fachbuch „Handbuch Übersetzungslektorat“ übernommen. Wie kam es dazu?
Maike In dem erwähnten großen Auftakttreffen haben wir uns schnell zu dritt gefunden. Meike und ich kannten uns und konnten uns eine Zusammenarbeit gut vorstellen – und Katharina passte da einfach wunderbar dazu. Außerdem hat uns Stefanie Heggers [VFLL-Vorstandsmitglied, die Red.] Unterstützung durch dieses ganze Projektjahr getragen und alle Absprachen sehr unkompliziert gemacht.
Katharina Ich war zu diesem Zeitpunkt noch sehr neu im VFLL, hatte aber große Lust auf dieses Projekt. Die Lust wurde dann nur noch größer, weil ich alle Beteiligten auf den ersten Blick so sympathisch fand. Mit solchen Kolleg*innen kann ein Ehrenamt nur Spaß machen.
Und wie lief das Projekt ab?
Meike Nach dem großen Auftakttreffen folgte die Themensammlung, dann das Schreiben und das Lektorieren der Beiträge. Parallel zur Arbeit der Autor*innen haben wir das Buch in Bereiche eingeteilt und eine sinnvolle Reihenfolge der Beiträge überlegt, mit dem BDÜ die weiteren Schritte zur Veröffentlichung abgesprochen und uns überlegt, was alles rund um die Veröffentlichung geschehen kann, um das Buch bekannt zu machen. Insgesamt war es zwar viel Arbeit vor und hinter den Kulissen, die alle Beteiligten ehrenamtlich gestemmt haben, aber die gesamte Zeit über war die Zusammenarbeit von Wertschätzung und dem Willen, gemeinsam etwas Tolles auf die Beine zu stellen, geprägt.
Katharina Vor allem lief das Projekt morgens zwischen 8 und 9 Uhr ab, denn zu dieser Zeit haben wir unser wöchentliches Meeting abgehalten. Dabei ging es einerseits um Inhaltliches: Sind die wichtigsten Facetten des Übersetzungslektorats abgedeckt? Überschneiden sich eventuell Artikel? Ist einer zu lang, ein anderer zu kurz? Aber auch viel Organisatorisches: Welche Infos brauchen wir vom Verlag und welche der Verlag von uns? Welche Fristen gibt es? Wer übernimmt das Korrektorat und wie briefen wir unsere Korrektor*innen? Und gerade in der Endphase: Wie bewerben wir das Buch? Wer fügt die vielen Rückmeldungen zur Umbruchkorrektur wie zusammen?
Ihr habt sage und schreibe über 20 Autor*innen „gebändigt“. Wer sind die Autor*innen?
Maike Lauter engagierte Mitglieder des VFLL! Fast alle, die beim ersten Zoom-Treffen dabei waren, sind auch bis zum Schluss dabeigeblieben. Manche von ihnen arbeiten mit Fachübersetzungen, haben zum Beispiel mit technischen Übersetzungstools zu tun, andere betreuen Literaturübersetzungen für Verlage oder Selfpublisher*innen.
Katharina Es ist wirklich eine schöne Bandbreite geworden. Wir haben sogar einige Themen dabei, die wir selbst zu Beginn des Projekts überhaupt nicht auf dem Schirm hatten, wie das Lektorat für Spieleübersetzungen.
Meike Die Arbeit mit den Autor*innen war das Einfachste an diesem Projekt. Sobald die Artikelliste stand, haben sie sich ans Werk gemacht und uns pünktlich und völlig unkompliziert großartige Inhalte geliefert.
Wie verhielt es sich mit der Themenverteilung, mit Abgabeterminen …?
Maike Am Projektbeginn standen mehrere Zoom-Sitzungen mit dem kompletten Autor*innen-Team, in denen wir in Brainstormings gemeinsam überlegt haben, welche Themen relevant für das Buch sein könnten. Gerade weil wir alle drei Belletristik lektorieren und übersetzen, waren wir sehr dankbar, ein so breit aufgestelltes Autor*innen-Team mit vielen unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten zu haben. Dann hat Katharina eine ausgetüftelte und stetig wachsende Excel-Liste angelegt, in die wir die Themen eingetragen haben und in die sich die Autor*innen bei demjenigen Thema eintragen konnten, das sie bearbeiten wollten. Alle haben sich großartig selbst organisiert: Ihre eigenen Lektor*innen gesucht und pünktlich geliefert, schnell auf Nachfragen reagiert usw.
Katharina Was die Abgabetermine angeht, war unser Wunsch, dass das Buch zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse erscheint. Wir haben dann, wie wir es auch als Lektorinnen im Verlag gemacht hätten, rückwärts gerechnet, wann welcher Arbeitsschritt erfolgt sein muss. Also zuerst beim BDÜ-Fachverlag anfragen, bis wann sie den Text für den Satz benötigen, dann überlegen, wie lange wir für die finale Durchsicht und das Korrektorat brauchen, von diesem Zeitpunkt aus zurückrechnen, wann die Autor*innen abgeben müssen etc.
Meike Maike war in unserem Team diejenige, die Mails an die Autor*innen geschrieben, Termine kommuniziert und Infos weitergegeben hat. Auch im weiteren Verlauf der Arbeit an dem Buch gab es immer mal wieder ein Zoom-Treffen mit den Autor*innen, die Runde war aber meist etwas kleiner als zu Beginn.
Wie war und ist der BDÜ am Projekt beteiligt?
Meike Wie gesagt hat der BDÜ den Ausschlag für das Projekt gegeben. Und der BDÜ Fachverlag hat die komplette herstellerische Abwicklung sowie das Verlagsmarketing und den Vertrieb übernommen.
Inwieweit war und ist der VFLL an der Herstellung beteiligt?
Maike An der Herstellung ist der VFLL nicht beteiligt. Aber die Inhalte des Buchs stammen komplett aus der Projektgruppe, von uns und den anderen beteiligten Autor*innen. Inhaltlich hat uns der BDÜ völlig freie Hand gelassen. Und im Marketing arbeiten wir nun natürlich alle gemeinsam.
Das Buch verfolgt welches Ziel?
Katharina Das Buch soll ein echtes Handbuch sein, in dem sich alle wichtigen Überlegungen und Infos rund um das Übersetzungslektorat finden. Und wer weiß, vielleicht wird es eines Tages sogar ein Klassiker? Unseres Wissens gibt es nämlich noch kein Fachbuch zum Thema.
Wem würdet ihr das Buch empfehlen zu lesen? Kann man es als Lehrbuch für Übersetzungslektor*innen bezeichnen?
Meike Ja, auf jeden Fall. Wir haben uns bemüht, alle relevanten Themen rund ums Übersetzungslektorat aufzunehmen. Gerade Einsteiger*innen finden viele Informationen, praktische Beispiele und zum Beispiel auch Hinweise auf weiterführende Literatur oder Seminare.
Über welche speziellen Kompetenzen verfügen Übersetzungslektor*innen?
Maike Im Handbuch geben eine ganze Reihe von Beteiligten Einblicke in ihren Weg zum Übersetzungslektorat – daraus kann man gut schließen, welche Fähigkeiten es für diesen Beruf braucht. Auf jeden Fall Sprachgefühl (ob man zwingend die Ausgangssprache beherrschen können muss, dafür gibt es eine Pro- und Contra-Gegenüberstellung), ein gutes Projektmanagement und Freude an der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Beteiligten. Denn Übersetzer*in, Verlag, Ursprungsautor*in und Übersetzungslektor*in sollten alle an einem Strang ziehen.
Und zum Schluss: Welcher ist euer Lieblings-Falscher-Freund?
Meike Ein klassischer falscher Freund im Norwegischen ist das Wort „sau“: Das ist kein Schwein, sondern ein Schaf! Darauf fallen aber natürlich eher Sprachanfänger*innen rein. Als Übersetzungslektorin achte ich zum Beispiel besonders auf abwechslungsreiche Satzstrukturen, denn der Satzbau ist in den skandinavischen Sprachen oft gleichförmiger als im Deutschen. Daneben gibt es eine ganze Reihe Verben, die es im Deutschen ebenfalls gibt, die bei uns aber nicht idiomatisch oder (zu) antiquiert klingen. Aus „å oppføre seg“ würde man zum Beispiel zunächst vielleicht „sich aufführen“ machen – in vielen Kontexten passt „sich verhalten“ aber besser.
Katharina Da Englisch in unserem Alltag so präsent ist, gibt es natürlich Unmengen an falschen Freunden. Über welchen davon ich am meisten schmunzele, ändert sich fast täglich. Ein aktueller Favorit ist das Homeoffice: Im britischen Englisch bezeichnet das eigentlich das Innenministerium, im Deutschen haben wir das Büro in den eigenen vier Wänden daraus gemacht. Und inzwischen schleicht sich diese deutsche Bedeutung sogar wieder ins Englische, sodass Menschen aus Großbritannien ebenfalls gelegentlich im Homeoffice arbeiten – auch wenn sie mit Politik nichts am Hut haben.
VFLL e. V. (Hrsg.): Handbuch Übersetzungslektorat. Berlin: BDÜ Fachverlag, 2023. 190 Seiten, Softcover, 43,00 Euro, ISBN 978-3-946702-24-5.
Das Buch beim BDÜ Fachverlag
Das Buch ist außerdem über den Buchhandel und online erhältlich.
Das Interview mit Meike Blatzheim, Maike Frie und Katharina Herzberger führte Silke Leibner aus dem VFLL-Fortbildungsteam.
Beitragsbild: Cover „Handbuch Übersetzungslektorat“, (c) VFLL e. V. / BDÜ Fachverlag
Screenshot: Zoom-Meeting Katharina Herzberger, Meike Blatzheim und Maike Frie, (c) Meike Blatzheim
Zur Buchbesprechung auf der VFLL-Website
Wer mehr zu dem Projekt erfahren möchte: Im Rahmen der Buchmesse wird es eine Veranstaltung geben. Das Gespräch wird am Donnerstag, 19. Oktober, auf der Bühne des Gemeinschaftsstands Studium rund ums Buch (Halle 4.1, Stand H99) um 16 Uhr stattfinden.
Moderation: Katharina Herzberger. Zu Gast sind Johanna Schwering sowie Übersetzer Tobias Scheffel.
Meike Blatzheims Website und Profil im VFLL-Verzeichnis
Maike Fries Website und Profil im VFLL-Verzeichnis
Katharina Herzbergers Website und Profil im VFLL-Verzeichnis
Weitere Blogbeiträge im Rahmen der VFLL-Medienkampagne #LektoratInsImpressum:
„Raus aus der Unsichtbarkeit!“ (2022)
Wer macht ein Buch? (2022)
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