Raus aus der Unsichtbarkeit!

Im Juni startete der VFLL eine Medienkampagne, um auf einen Missstand im Verlagswesen aufmerksam zu machen: Obwohl freie Lektorinnen und Lektoren einen unverzichtbaren Beitrag zur Entstehung von Büchern leisten, fehlen ihre Namen im Impressum vieler Veröffentlichungen. Johanna Schwering, Mitglied der überregionalen Arbeitsgemeinschaft Impressum, ist freie Lektorin sowie Übersetzerin aus dem Spanischen und arbeitet seit vielen Jahren für Publikumsverlage in der Belletristik. Für den Blog fasst sie die Debatte zusammen.

Von Johanna Schwering

Ein Verlagslektor hat mir mal gesagt, der Ort für seinen Namen im Buch sei die Danksagung, und nicht das Impressum.

Sicher, es ist schön und ehrenwert, wenn Autor*innen ihre Lektor*innen in einer Danksagung erwähnen. Das tun viele, aber längst nicht alle, sollen sie auch nicht müssen; eine Danksagung ist schließlich kein notwendiger Teil eines Buches, sondern ein fakultativer, frei gestaltbarer und sehr persönlicher Begleittext. Das Impressum hingegen ist Pflicht für jede Buchpublikation und hält wertfrei fest, wer an der Entstehung des Buches beteiligt war. Verantwortlich für das Impressum ist der Verlag, nicht der oder die Urheber*in. Und an dieser Stelle sollten über die Pflichtangaben hinaus auch Lektor*innen selbstverständlich erwähnt werden. Denn ebenso wie Übersetzende, Covergestaltende und Druckereien leisten wir einen professionellen Beitrag zum fertigen Buch und wünschen uns, dass unsere Auftraggebenden diesen durch Nennung im Impressum sichtbar machen. Welchen Wert ein sorgfältiges Lektorat für einen Text gleich welcher Gattung hat, muss ich wohl niemandem erläutern, der den Blog des Verbands der Freien Lektorinnen und Lektoren liest.

Für uns Freie hat die Nennung im Impressum auch deshalb größere Relevanz als für angestellte Lektor*innen, weil wir nicht über ein Arbeitszeugnis belegen können, an welchen Projekten wir mitgewirkt haben. Und in übersetzten Büchern, die ein großes Auftragsvolumen im Freien Lektorat ausmachen, wird bisher nur in sehr literarischen Ausnahmeprojekten überhaupt Platz für eine Danksagung der Übersetzenden geschaffen – für einen Dank ans Übersetzungslektorat muss man schon eine Übersetzung vom Format eines David Foster Wallace lektorieren (vgl. die schöne Nachbemerkung von Ulrich Blumenbach zu seiner Übersetzung von „Infinite Jest“, als „Unendlicher Spaß“ bei Kiepenheuer & Witsch erschienen).

Ich arbeite seit vielen Jahren als freie Lektorin und erst nach und nach ist mir aufgefallen, dass längst nicht alle Verlage meinen Beitrag zum Buch durch eine Nennung im Impressum belegen. In meiner persönlichen Statistik fällt dabei ins Auge, dass die Nennung umso unwahrscheinlicher wird, je literarischer das redigierte Buch ist. Positiv kann ich vermelden, dass einige Verlage meiner individuellen Bitte um eine Nennung im Impressum in Einzelfällen nachgekommen sind. Ebenso positiv, dass ich in Folge einer solchen Bitte etliche Male von Kolleg*innen oder auch Bekannten auf das Kleingedruckte in einem literarischen Bestseller angesprochen wurde. Erst kürzlich habe ich eine Anfrage bekommen, in der die mir bis dato unbekannte Verlagslektorin erwähnte, dass sie mich wegen meiner Arbeit an eben jenem vielbesprochenen Buch für einen ähnlichen Titel beauftragen möchte. Das zeigt ganz anschaulich, wie effektiv die Sichtbarkeit für unser berufliches Standing als freie Lektor*innen ist. Bei jedem Auftrag neben dem Honorar auch noch die Nennung im Impressum verhandeln zu müssen, ist allerdings mühselig und sollte nicht notwendig sein. Schließlich muss kein Verlag verstecken, mit freien Lektor*innen zusammenzuarbeiten. Im Gegenteil: Die Beibehaltung der Unsichtbarkeit unseres klassischen „Frauenberufs“ scheint in vielerlei Hinsicht unzeitgemäß.

Um die flächendeckende Impressumsnennung für Lektor*innen zu erreichen, hat sich im Frühjahr im VFLL eine Arbeitsgruppe gebildet, die mit beeindruckender Energie und Effizienz eine Medienkampagne im Aktionszeitraum Juni bis Oktober 2022 gestartet hat.

Eine verbandsinterne Umfrage zur Vorbereitung dieser Kampagne hat überwältigend klar ergeben, dass den Mitgliedern die Nennung im Impressum sehr wichtig ist. Die in der Umfrage gemeldeten Daten zu 250 Verlagen zeigen erfreulicherweise, dass die Mehrheit der Verlage im deutschsprachigen Raum die freien Lektor*innen bereits standardmäßig im Impressum nennt. Besonders im Bereich der Publikumsverlage gibt es aber einige Ausnahmen, darunter zwei Handvoll große Verlagshäuser, die somit in einem wesentlichen Marktanteil der Buchpublikationen das Freie Lektorat namentlich unter Verschluss halten. Auf die Frage, was gegen eine Nennung im Impressum spricht, erfolgt im direkten Gespräch zwischen freien Lektor*innen und ihren Auftraggebenden im Verlag selten eine argumentativ überzeugende Antwort. Unsere Mitglieder hören stattdessen Sätze wie: „Dann würden wir ja Werbung für Sie machen“ oder: „Das würden wir nur bei einer herausragenden Leistung des Außenlektorats machen.“ Meist allerdings ganz schlicht: „Das haben wir noch nie gemacht“ oder „Das ist bei uns nicht üblich“.

Darum macht der VFLL jetzt mit der Kampagne #LektoratInsImpressum darauf aufmerksam, dass wir uns die flächendeckende Nennung wünschen. Wir hoffen, damit die Verlage zum Umdenken zu bewegen, die unsere Beteiligung am Buch bislang verschweigen. Namhafte Autor*innen wie Zoë Beck, Kirsten Boie, Sebastian Fitzek, Iny Lorentz und Ursula Poznanski unterstützen unser Anliegen.

Liebe Verleger*innen, falls es in Ihrem Haus noch kein Standard ist: Schaffen Sie jetzt eine Zeile mehr im Impressum und gestehen Sie damit den für Sie tätigen freien Lektor*innen Wertschätzung und Sichtbarkeit für ihre Arbeit zu. Nicht nur im Einzelfall, wenn es individuell eingefordert wird, sondern regelmäßig und selbstverständlich. In dieser Handreichung können Sie nachlesen, warum uns die Nennung wichtig ist und welche großen Verlagshäuser unsere Namen längst standardmäßig im Impressum anführen.

Liebe freie Lektor*innen, nutzt mit uns gemeinsam den Aktionszeitraum, thematisiert beim nächsten Auftrag die Nennung im Impressum und weist eure Auftraggebenden auf die Kampagne hin. Viele Verlage verweigern die Nennung des Lektorats nicht prinzipiell, sondern unterlassen sie schlicht aus Gewohnheit. In dieser Handreichung haben wir Argumentationshilfen versammelt. Gemeinsam können wir die Sichtbarkeit unseres Berufsstands erhöhen.

Die Autorin des Beitrags: VFLL-Mitglied Johanna Schwering aus der AG Impressum

Text: Johanna Schwering
Lektorat: Julia Hanauer
Korrektorat: Sibylle Schütz

Foto: Johanna Schwering, (c) Sibylle Baier
Beitragsbild: (c) MIH83 / pixabay


Im Frühjahr 2022 hat sich im VFLL eine Arbeitsgruppe Impressum gebildet, die mit beeindruckender Energie und Effizienz eine Medienkampagne im Aktionszeitraum Juni bis Oktober 2022 gestartet hat, um die flächendeckende Impressumsnennung für Lektor*innen zu erreichen.


Weiterführende Links zum Thema Impressum:


Johanna Schwerings Profil im VFLL-Verzeichnis
Julia Hanauers Website und Profil im VFLL-Verzeichnis
Sibylle Schütz’ Website und Profil in der VFLL-Verzeichnis

5 Gedanken zu „Raus aus der Unsichtbarkeit!

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  5. Anja Becker

    Tolle Aktion, vielen Dank! Die Buchverlage und Selfpublisher, für die ich lektorier(t)e, veröffentlich(t)en meinen Namen im Impressum. (Vielen Dank an dieser Stelle!) Zeitschriftenverlage dürften gern nachziehen. :)
    Herzliche Grüße
    Anja Becker, Mitglied im VFLL

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