VFLL-Kollegin Katja Rasmus hat mit ihrem Mann zusammen einen Shop gegründet, der Bio-Vogelfutter verkauft. Inspiriert von ihrer ländlichen Umgebung und ihrer Liebe zur Natur, setzen sie auf nachhaltig produzierte Saaten und energiereiche Mischungen. Wie aus einer Sinnkrise ein Herzensprojekt wurde, warum das Füttern der Vögel heute wichtiger denn je ist und welche Herausforderungen ihnen bei der Gründung begegnet sind – davon erzählt sie im Interview.
Was hat euch inspiriert, Grünschnabel mit dem Shop biovogelfutter.de zu gründen?
Wir beide arbeiten mit Büchern und Bäumen und hatten schon lange Lust, daneben noch etwas anderes zu starten. Wir wohnen hier in Melle in Niedersachsen auf dem Land, uns gegenüber sitzt der Pionier für biologisch erzeugtes Hühnerfutter. Das hat uns inspiriert, eine Manufaktur für Bio-Vogelfutter aufzubauen. Denn es gibt ganz wenig Hersteller für Wildvogelfutter, die sich konsequent für Bioprodukte entscheiden. Wir möchten den Vögeln im Garten helfen, ohne am anderen Ende Schaden anzurichten. Also auf den Äckern, wo die Samen wachsen.
Gab es einen bestimmten Moment oder eine Erfahrung, die den Anstoß gegeben hat?
Wir haben selbst sehr viel Freude daran, die Vögel an unseren Futterstellen zu beobachten. Wenn es draußen so grau ist wie diesen Winter und die Nachrichten aus dem Radio noch düsterer, dann ist es einfach tröstlich, wenn der Buntspecht am Meisenknödel hängt, sich die kleine Heckenbraunelle unter unsere Spatzenkolonie mischt und Meisen, Rotkehlchen, Amsel und Stare schön abwechselnd im Futterhaus picken. Und wir haben gemerkt, dass es einen großen Unterschied macht, was man da verfüttert. Wenn man etwas Billiges kauft, ist da meist viel Weizen drin. Das schmeckt den Tauben gut, die wir auch mögen. Aber für Wildvögel taugt das nicht viel. Uns hat motiviert, konsequent vom Singvogel aus zu denken und darüber auch ins Erzählen über die Welt der Vögel zu kommen.
Es war auch eine Art Sinnkrise, die den Anstoß gab. Ich bin schon sehr lange freie Lektorin und mein Mann ist schon sehr lange Baumpfleger. Auf Bäume zu klettern, hat ihm früher mit dreißig einfach mehr Spaß gemacht als heute. Ich liebe immer noch die Arbeit an den Texten, aber da läuft vieles inzwischen sehr routiniert, da ist noch Platz für Neues.
An wen richtet sich euer Angebot? Welche Zielgruppe möchtet ihr mit eurem Sortiment ansprechen?
Wir haben unser Misch-Fett-Futter zunächst viel bei Leuten hier in Melle erprobt, die ökologisch orientiert sind, die die Natur lieben und schon lange Vögel füttern. Diese Zielgruppe ist natürlich naheliegend. Besonders freuen wir uns aber, wenn Menschen durch den Grünschnabel ganz neu mit dem Leben der Vögel und dem riesigen Problem des Vogelsterbens in Kontakt kommen und erstmals Vögel füttern. Eine neue Futterstelle muss sich erst rumsprechen bei den Vögeln, aber wenn der Vogelbesuch zunimmt, ist die Begeisterung groß! Wir haben oft nicht mehr viele Naturbegegnungen in unserem Alltag. Die Vogelfütterung ist dafür eine tolle Möglichkeit, die auch Kinder und ältere Menschen sehr lieben. Dafür reicht auch ein Balkon in der Stadt. Wir wünschen uns, dass solche Begegnungen den Blick für andere Naturthemen öffnen.
Welche Arten von Vogelfutter bietet ihr an und was macht euer Angebot besonders? Gibt es spezielle Produkte, die ihr besonders empfehlen würdet?
Uns liegt besonders am Herzen, auf die Bedeutung der ganzjährigen Vogelfütterung hinzuweisen und dafür Produkte anzubieten. Die Natur alleine gibt in unseren ausgeräumten Landschaften einfach nicht mehr genügend her, das gilt vor allem für die hektische Brutzeit im Frühling und Frühsommer. Wir bieten im Shop ein Basissortiment an Einzelsaaten und unser Fett-Futter als energiereichen Körnermix. Die Bedürfnisse der Wildvögel sind unterschiedlich, manche können mit ihrem kräftigen Schnabel die härteste Nuss knacken, manche brauchen weiches Futter wie Sultaninen und gefettete Haferflocken. Unsere Mischung ist so komponiert, dass sie sehr viele Vogelarten erreicht. Wir möchten bald auch Futterhäuser und -spender anbieten, denn auch hier gibt es viel zu beachten, damit es vogelfreundlich ist.
Legt ihr besonderen Wert auf Nachhaltigkeit oder ökologische Aspekte in der Produktion eures Vogelfutters?
Ja! Bei den ökologisch angebauten Rohstoffen sowieso. Darüber hinaus versuchen wir, in allen Schritten eine echte Öko-Manufaktur zu sein, das reicht von der Auswahl des Webhosters bis zur Verpackung. Wir hatten auf unsere Papiertüten zunächst Etiketten geklebt. Dabei fällt aber doch eine Menge Müll an. Jetzt nehmen wir einfach Streifen aus dünnem Recycling-Karton, mit gutem Design, aber wenig Farbe bedruckt, das gefällt uns viel besser.
Welche Herausforderungen habt ihr bei der Gründung und dem Betrieb des Shops erlebt?
Wir hatten da durchaus ein paar Herausforderungen. Wir möchten unsere Verpackungen eigentlich zunähen, bekommen aber noch keine gerade Naht hin. Es gibt den Grünschnabel auch auf Instagram unter dem Account @gruenschnabel_biovogelfutter, aber aller Anfang ist klein und uns fehlt manchmal die Geduld, trotzdem weiterzumachen. Die größte Hürde: Unser tollstes Produkt dürfen wir noch nicht verkaufen, Meisenknödel mit einem hohen Fettanteil. Mein Mann und ich sind Vegetarier, aber Singvögel sind es nicht. Deshalb waren wir begeistert, als wir einen tollen Hof mit kleiner Schlachterei gefunden haben, von dem wir Bio-Rindertalg beziehen können. Das ist hier um die Ecke und wir könnten gut nachvollziehen, wie die Kühe gehalten wurden. Leider stellte sich heraus, dass wir erst einen sehr aufwendigen Genehmigungsprozess durchlaufen müssten, bevor wir mit tierischen Nebenprodukten (wozu Rindertalg zählt) arbeiten dürfen. Schade, dass es ganz einfach wäre, Kokosfett aus Übersee zu beziehen, und so kompliziert, Rindertalg aus der Nachbarschaft zu nutzen. Das Problem liegt gerade brach. Denn wir waren neben der Suche nach guten Sämereien und sinnvollen Verpackungen auch sehr damit beschäftigt, die Welt von Mollie, Woo und Base zu verstehen – Warenwirtschafts- und Softwaresysteme, die hinter so einem Online-Shop stehen. Auch in Excel waren wir bisher nicht sehr bewandert.
Mich entspannt dann geradezu mein schöner Hauptberuf, die konzentrierte Arbeit am guten Text. Und wenn ich nach dem Lektorieren und Texten am Abend Vogelfutter abfülle und an den leckeren Samen schnuppere und danach noch etwas darüber schreibe, warum die Vogelfütterung so wichtig geworden ist, dann macht diese Mischung richtig Freude!
Seit wann arbeitest du als Lektorin?
Seit 2005, das sind ja dieses Jahr 20 Jahre! Ich hatte damals das Seminar „Das freie Lektorat – ein expandierendes Berufsfeld“ vom Wissenschaftsladen in Bonn besucht. Das war ein richtiger Aha-Moment, da wusste ich, das ist mein Ding.
Hast du einen Schwerpunkt im Lektorat?
Das hat sich im Laufe der Zeit ziemlich verändert. Begonnen habe ich mit Schulbüchern und Reiseführern. Jetzt lektoriere ich viele wissenschaftliche Texte sowie Unternehmens- und Klimakommunikation. In diesem Bereich texte ich auch.
Interview: Katja Rosenbohm
Korrektorat: Sibylle Schütz
Fotos: Spatzenleben, (c) Grünschnabel Biovogelfutter; Porträt Katja Rasmus, (c) Linda Meiners;
Katja Rasmus Website und Profil im VFLL-Lektoratsverzeichnis
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