Porträtbild von Tamara-Leonhard_© Spiegelwelt Fotografie

„Ausprobiert habe ich dabei schon eine ganze Menge – vom Musical bis zur Punkrockband“

Sie ist ein wahres Kreativbündel, eine kreative Wunderbombe, sie ist Autorin, Lektorin, Sängerin und sie wird auf unserer diesjährigen Fachtagung am Samstag, gemeinsam mit dem VFLL-Kollegen Hans Peter Roentgen, das Impulsgespräch „Lektorat im Umbruch“ führen. Noch gibt es ein paar freie Plätze zur Fachtagung Freies Lektorat 2024. Die Anmeldung ist bis zum 20. September 2024 möglich.

Tamara Leonhard, die 1. Vorsitzende des Selfpublisher-Verbandes, im Interview mit Sibylle Schütz

Du bezeichnest dich selbst als Berufsträumerin. Was genau verstehst du darunter?

Alles, womit ich mich beruflich beschäftige, läuft letzten Endes darauf hinaus, Menschen für eine Weile aus ihrem Alltag zu entführen und sie zum Träumen zu bringen. Ob ich nun einen Roman lektoriere, ein Konzert beziehungsweise eine Konzertlesung auf die Bühne bringe oder als Autorin eine Geschichte schreibe – es hat immer etwas damit zu tun, zu träumen und andere einzuladen, mitzukommen.

Was war zuerst da? Das Singen oder das Schreiben?

Spontan wäre meine erste Antwort gewesen: Das Singen, weil das schon vor der Schulzeit möglich war. Allerdings war in mir auch sehr früh ein ausgeprägtes Interesse am geschriebenen Wort.

Das Alphabet habe ich mir bereits vor der Grundschulzeit selbst beigebracht, indem ich auf einzelne Buchstaben zeigte, Erwachsene fragte, was das für einer sei, und sie mir so nach und nach einprägte.

Eine ältere Freundin erklärte mir dann noch bevor ich in die erste Klasse kam, dass ich diese einzelnen Symbole nun einfach aneinanderreihen müsse, um Wörter zu bilden. Mein erstes geschriebenes Wort war „DÜSELDORF“ (ja, mit einem s) – mit dem Finger in den Sand am Meer geschrieben, als ich ein Fußballturnier nachspielte. Dummerweise wurde es in der Schule dann etwas langweilig, wieder von vorne anzufangen.

Wie kamst du dazu, Bücher zu schreiben?

Tamara Leonhard mit ihrem Roman „Regenbogenblau“, © Isa Theobald

Das Geschichtenerzählen war schon als Kind mein Ding, ob nun auf Kassette aufgenommen, gezeichnet als Comic oder eben in geschriebener Form. Mein wirklich erstes Buch schrieb ich eigentlich schon mit elf Jahren, und zwar auf einer alten Schreibmaschine, die ich damals vor dem Sperrmüll rettete. Es war ein Pferderoman, den ich mit viel Liebe zum Detail ausarbeitete, der aber letzten Endes in der Schublade blieb. Doch von da an war klar: Irgendwann will ich ein richtiges Buch von mir in den Händen halten!

Es dauerte dann aber noch eine ganze Weile, bis das wirklich passierte. Zum einen suchte ich lange nach meinem Thema, zum anderen war es schon auch sehr abschreckend, überall zu lesen, dass man doch sowieso keinen Verlag finde. Als ich dann aber an meiner Herzensgeschichte dran war, erfuhr ich zeitgleich mehr übers Selfpublishing und war Feuer und Flamme. Das war 2017.

Für mich ist Selfpublishing auch kein Notnagel, falls kein Verlag Interesse hat, sondern eine gleichwertige Alternative für Menschen wie mich, die gerne selbstständig und unabhängig arbeiten.

Worum geht es in deinen Büchern?

Meine bisher erschienenen Romane kann man ins Genre Romance einordnen, wobei mir übrigens stets wichtig war, dass sich die Paare auf Augenhöhe begegnen, anstatt Machtgefälle auszunutzen. Unabhängige Frauen, liebenswerte und freundliche Männer. Inzwischen habe ich das Thema Musik als roten Faden für mich definiert, der in Zukunft meine Bücher auch über Genregrenzen hinweg zusammenhält. Aktuell schreibe ich nämlich keine Lovestory, sondern vielmehr ein Musikdrama. Und möglicherweise gärt im Hinterkopf gerade ein Thriller …

Hattest du einen stringenten Lebenslauf oder gab es da Kurven und Kanten?

Nicht nur Kurven, auch einige Loopings waren dabei. Meine Interessen waren schon immer breit gefächert und meine Neugierde sehr groß, weshalb ich gerne Dinge ausprobiere, dazulerne und mich in Neues reinfuchse.

Während der Schulzeit habe ich mich bei der Jugendseite einer Tageszeitung engagiert und als Moderatorin beim Jugendradio gejobbt.

Nach dem Germanistikstudium mit den Nebenfächern Anglistik und Phonetik arbeitete ich zunächst im Bereich Marketing und PR, kam dann über eine der Anstellungen zum Korrektorat eines Sachbuches und zur Tätigkeit als Chefredakteurin einer kleinen Fachzeitschrift. Auch Content Creation mit Bild und Ton war irgendwann mit dabei.

Allerdings merkte ich immer mehr, dass ich unabhängig arbeiten möchte, sodass ich 2019 schließlich den Schritt in die Freiberuflichkeit wagte – zunächst in Teilzeit neben einer Festanstellung, nach einer Weile dann ganz ohne Sicherheitsnetz. Das Lektorieren hat dabei den größten Anteil, aber ich gebe auch Workshops, schreibe Fachartikel oder stehe auf der Bühne. Ich liebe diese Vielfalt einfach.

Seit Dezember 2021 bist du die 1. Vorsitzende des inzwischen 1.700 Mitglieder starken Selfpublisher-Verbandes. Wie kam es dazu?

Im Herbst 2020 wurde ich von dem damaligen Vorstandsmitglied Jeanette Lagall angesprochen, ob ich mir eine Mitarbeit im Vorstand vorstellen könne. Ein Platz müsse neu besetzt werden und eine gemeinsame Bekannte habe ihr den Tipp gegeben, mich zu fragen. Bis dahin hatte ich nur zusammen mit einer Kollegin die Regionaltreffen im Saarland organisiert.

Ich habe mich zwar sehr genau informiert, was da auf mich zukommt, aber im Grunde war von Anfang an klar, dass meine Neugierde es mir nicht gestatten würde, Nein zu sagen. Also stellte ich mich im Dezember 2020 für den Posten der Geschäftsführerin zur Wahl. Als Jeanette im Folgejahr entschied, sich künftig anderen Aufgaben zu widmen, ermutigten mich die Vorstandskolleg:innen, mich für das Amt der 1. Vorsitzenden zur Verfügung zu stellen.

Die Aufgabe ist nicht nur eine große Ehre, sie macht mir bei aller Arbeit auch sehr viel Freude, zumal der Vorstand und die Mitarbeiterinnen bisher in jeder Konstellation ein tolles Team gewesen sind.

Du hast Bühnenauftritte als Sängerin, standest auch mehrmals vor der Kamera. Wie war dein Weg dorthin?

Tamara Leonhard arbeitet an eigenen Songs, für die sie auch die Texte selbst schreibt © Dirk Maurer

Das hat sich irgendwie natürlich ergeben. Schon als kleines Kind bin ich gern in andere Rollen geschlüpft, habe gesungen oder mir Geschichten ausgedacht. Meine Eltern meldeten mich im Kinderchor an, später durfte ich Gesangsunterricht nehmen und eins kam zum anderen. Ausprobiert habe ich dabei schon eine ganze Menge – vom Musical bis zur Punkrockband.

Gibt es einen Arbeitsbereich, den du lieber betreibst als die anderen?

Es ist tatsächlich die Abwechslung, die jedes Feld, in dem ich mich austobe, so spannend macht. Ein Konzert vorzubereiten und damit auf die Bühne zu gehen, ist natürlich etwas völlig anderes, als mich auf ein Lektorat zu konzentrieren. Und einen Artikel zu schreiben, fordert wieder ganz anders, als einen Workshop zu halten. Dass ich zwischen diesen verschiedenen Tätigkeitsfeldern wechseln kann, mal allein für mich arbeiten, mal im Austausch mit anderen sein, macht jede einzelne Aufgabe besonders reizvoll.

Als ob es nicht schon genug wäre, dass du Autorin, Sängerin und Lektorin bist, hast du auch noch einen Podcast „Die zwei von der Talkstelle“ zusammen mit Vera Nentwich. Wann und wie ist die Idee dazu entstanden?

Der Gedanke entstand im Sommer 2019. Da habe ich das Medium Podcast für mich entdeckt – zunächst als Konsumentin – und schnell erwachte in mir die Lust, diese Form von „Bühne“ auch einmal auszuprobieren.

Dass es bei einem eigenen Podcast ums Schreiben im Speziellen, aber auch um andere kreative Themen gehen würde, war gleich klar. Und ich wusste auch: Ich möchte das zusammen mit einer zweiten Person machen, da ich das als Hörerin am unterhaltsamsten finde. Die Dynamik ist einfach eine andere.

Vera kannte ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht so gut. Ich hatte sie als Gast in eine Video-Talkshow eingeladen, die ich damals auf meiner Facebookseite betrieb, und dabei festgestellt, dass wir eine Menge gemeinsam haben. Wir beide lieben nicht nur das Schreiben, sondern auch das Singen, das Theater, die Bühne allgemein. Also fragte ich sie einfach und sie hat sich darauf eingelassen!

In den ersten Folgen wussten wir selbst noch nicht so genau, was wir da eigentlich tun, aber es hat sich dann bald ein Konzept entwickelt, das zu uns passt und erfreulicherweise auch einige Menschen anspricht. Inzwischen haben wir über 225 Folgen veröffentlicht und hatten bereits unzählige, teils sehr namhafte Talkgäste aus der Buchbranche zu Besuch.

Wen denn zum Beispiel? Welche Themen habt ihr da besprochen?

Bei fast vier Jahren wöchentlichem Podcast ist es natürlich schwierig, einzelne Gäste herauszupicken. Aber passend hier zur Runde: Natürlich war der wundervolle Hans Peter Roentgen schon unser Gast, mit dem wir über Klappentexte gesprochen haben. Großartig war auch Nina George zum Thema Autorenrechte. Das waren beides recht frühe Folgen. Inzwischen sind wir technisch professioneller unterwegs und durften uns in den letzten zwölf Monaten beispielsweise mit Verleger Armin Gmeiner, Autor Markus Heitz, Autorin Romy Hausmann oder auch mit Frank Krings, dem PR-Manager der Frankfurter Buchmesse, unterhalten. Die Themen sind also breit gefächert vom Schreiben übers Veröffentlichen bis zu Marketing, Mindset und vieles mehr.

Seit wann bis du im VFLL und was schätzt du am meisten an ihm?

Ich bin vor rund zwei Jahren Mitglied geworden, weil ich den Austausch mit Kolleg:innen sinnvoll finde, mich weiterbilden möchte und natürlich froh bin, mit dem VFLL einen kompetenten Ansprechpartner zu haben, wenn mal etwas sein sollte.

Ich denke, eine Verbandsmitgliedschaft ist aber auch immer, was man selbst draus macht. Da gibt es einiges an Angeboten, was ich in Zukunft noch für mich entdecken darf.

Gibt es noch etwas, das du uns mitteilen möchtest?

Ich möchte einfach einmal sagen, wie toll ich die Buchbubble finde: Autorinnen, Lektoren, Cover-Designer, Bloggerinnen, Lesende, … Es ist so eine herzliche Community und der Zusammenhalt überwiegt meist deutlich im Vergleich zu einzelnen Querelen. Ich finde, das ist ein wirklich wertvoller Schatz, den wir uns bewahren sollten. Miteinander sind wir einfach stärker als gegeneinander.

Interview: Sibylle Schütz
Korrektorat: Rebekka Münchmeyer
Beitragsbild: Tamara Leonhard © Spiegelwelt Fotografie


Mehr Infos und Anmeldung zur Fachtagung Freies Lektorat 2024 mit einem Impulsvortrag von Tamara Leonhard zum Thema „Lektorat im Umbruch“; der Anmeldeschluss ist der 20. September 2024.


Tamara Leonhards Website und Profil im VFLL-Lektoratsverzeichnis


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