Ein Grund zu Freude und Gratulation! Wir gratulieren Johanna Gerhard herzlich zu ihrem Gewinn des Selfpublishing-Buchpreises 2022 in der Kategorie Belletristik! Der Preis des Selfpublisher-Verbandes e. V. bietet unabhängigen Autorinnen und Autoren eine Bühne, um die Vielfalt und Qualität selbstveröffentlichter Bücher einem breiten Publikum vorzustellen. Er wird jährlich auf der Buchmesse in den drei Kategorien Belletristik, Sachbuch/Ratgeber und Kinder-/Jugendbuch verliehen.
Wie kam es dazu, dass du eine schriftstellerische Karriere eingeschlagen hast? Hast du schon immer gerne geschrieben oder wie hat sich das entwickelt?
Ich habe tatsächlich schon immer gern geschrieben, beispielsweise wenn es darum ging, im Deutschunterricht Geschichten zu erzählen. Mit etwa 14 Jahren habe ich angefangen, meinen ersten Roman zu schreiben (Fantasy), aber über ein paar Seiten bin ich nie hinausgekommen. Irgendwas hat mich immer gestört und dann habe ich von vorne angefangen.
Einen ersten vollständigen Romanentwurf habe ich 2009 im NaNoWriMo (= National Novel Writing Month) geschrieben. Beim NaNoWriMo geht es darum, innerhalb eines Monats (jedes Jahr im November) einen Roman mit mindestens 50.000 Wörtern zu schreiben. Bis 2019 habe ich jedes Jahr daran teilgenommen.
Mein NaNoWriMo-Roman von 2012 ist übrigens die Grundlage für „Der Klang von Feuerblau“ gewesen, mit dem ich zehn Jahre später den Selfpublishing-Buchpreis gewonnen habe. Und über den NaNoWriMo habe ich auch zum ersten Mal andere schreibbegeisterte Menschen kennengelernt. Das war erst die Grundlage dafür, dass das Thema Schreiben für meine berufliche Entwicklung interessant wurde.
Worum geht es in „Der Klang von Feuerblau“?
Es geht um eine junge Frau, deren Vater unerwartet verstirbt, zu dem sie bereits einige Zeit keinen Kontakt mehr hatte. Sie erbt von ihm ein Landhaus und wird dort mit Erinnerungen aus ihrer Vergangenheit konfrontiert, die sie lieber verdrängt hätte. Eine besondere Rolle spielen dabei das Cembalo ihres Vaters und ihre synästhetische Fähigkeit, Musik nicht nur hören, sondern auch sehen zu können.
Magst du etwas zu deinem beruflichen Werdegang berichten?
Ursprünglich wollte ich nach der Schule Pilotin werden, habe aber das Auswahlverfahren nicht bestanden. Das Französisch-Studium, das ich stattdessen angefangen habe, war eine Notlösung. Nach zwei Semestern bin ich auf Wirtschaftsrecht umgestiegen. Durch mein Nebenfach „Arbeitsrecht und Personalmanagement“ bin ich schließlich in der Wirtschaft gelandet und habe einige Jahre als Personalreferentin und im Projektmanagement gearbeitet.
Irgendwann habe ich mir eingestanden, dass mich mein Bürojob nicht erfüllt und dass ich mich viel lieber mit meinen und den Geschichten anderer Menschen auseinandersetze. Deshalb habe ich berufsbegleitend „Literarisches Schreiben und Kulturjournalismus“ studiert.
Der erste Wink mit dem Zaunpfahl, dass ich das mit der Selbstständigkeit wirklich wagen soll, kam 2018, als meine Firma Personal abgebaut hat. Ich konnte mit einer Abfindung gehen und wurde für eine gewisse Zeit weiterbezahlt, in der ich mich weiterbilden konnte. Also habe ich 2019 die Zertifizierung zur Freien Lektorin an der Akademie der Deutschen Medien gemacht und einige Gründungsseminare besucht.
Der zweite Wink mit dem Zaunpfahl war eine Ausschreibung von Audible im Jahr 2019, die Autor*innen für verschiedene Genres gesucht haben. Dort konnte man sich mit einer Leseprobe bewerben, die auch Fanfiction sein durfte, wenn man noch keine Veröffentlichung hatte. Da habe ich mich im Bereich High Fantasy mit einer Fanfiction zu Game of Thrones beworben und bin tatsächlich eine Runde weitergekommen. Am Ende stand, dass wir in einem Team von drei Leuten eine High Fantasy Hörbuchreihe entwickeln und schreiben durften, die exklusiv auf Audible erschienen ist. Staffel 1 heißt „Das Rabenmädchen – Arkenhall 1“, Staffel 2 heißt „Die Rabenkönigin – Arkenhall 2“.
Du hast den Weg des Selfpublishings gewählt. War dir das von Anfang an klar oder hast du dir auch überlegt bei Verlagen anzuklopfen?
Selfpublishing war für mich von Anfang an eine Alternative, ich habe es zunächst aber tatsächlich bei einigen Agenturen versucht, um darüber an einen Verlagsvertrag zu kommen. Über einen Stammtisch für Autor*innen ist dann der Kontakt zu einem Kleinverlag entstanden, mit dem ich das Buch zunächst als E-Book hätte realisieren können. Allerdings hatten wir unterschiedliche Ansichten zum Ende meines Romans und da musste ich feststellen, dass es einfach Punkte gibt, an denen ich nicht bereit bin, Abstriche zu machen. Dieser Roman hat von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung neun Jahre gebraucht, und das Ende war der eine Aspekt, um den sich von Anfang an alles gedreht hat. Da ist es mir dann leichtgefallen zu sagen, dass der richtige Weg für dieses Buch das Selfpublishing ist. So konnte ich sämtliche Aspekte rund um den Roman meiner Vorstellung entsprechend realisieren.
Neben dem Lektorat bietest du auch Schreibbegleitung an. Wie genau läuft das dann ab?
Grundsätzlich passe ich das sehr individuell an den Bedarf meiner Kund*innen an. Meist vereinbaren wir in regelmäßigen Abständen Termine für ein Telefonat oder einen Video-Call und ich werde kurz vorher informiert, was der aktuelle Stand im Schreibprojekt ist und worüber in dem Termin gesprochen werden soll. Wir plotten zusammen, brainstormen Ideen, ich erkläre schreibhandwerkliche Aspekte, berate in Bezug auf Veröffentlichungswege, habe ein offenes Ohr für alle mit dem Schreiben einhergehenden Sorgen und Probleme … Manchmal bekomme ich vorher auch ein paar Seiten zum Lektorieren, über die wir dann sprechen.
Im Prinzip ist alles möglich. Ich verstehe mich als Sparringspartnerin, weil ich weiß, wie viel es einem geben kann, wenn man sich mit anderen Schreibenden über das eigene Projekt austauschen kann. Und viele schreibende Menschen kennen einfach in ihrem direkten Umfeld niemanden, der schreibt.
Seit wann bist du im VFLL? Was magst du am Verband am meisten?
Ich habe mich Anfang 2020 selbstständig gemacht und bin kurz danach in den VFLL eingetreten, weil ich die Mitgliedschaft im Verband für ein Qualitätsmerkmal halte. Ich schätze es sehr, dass es so viele Möglichkeiten gibt, sich zu vernetzen und sich weiterzubilden. Im Moment nehme ich am Kompaktkurs Fantasy teil und freue mich riesig, wie viele neue Kontakte und Impulse sich für meine Tätigkeit als Lektorin daraus ergeben.
Hast du schon eine Idee für einen neuen Roman oder ist der schon in Arbeit?
Ja, ich habe tatsächlich ein neues Projekt. Grundlage ist wieder einer meiner NaNoWriMo-Romane, in dem sich mehr versteckt, als es ursprünglich geplant war. Wem „Der Klang von Feuerblau“ gefällt, dem dürfte die neue Geschichte auch gefallen. Allerdings wird das sicher noch einiges an Zeit in Anspruch nehmen. Im Moment bin ich ganz zufrieden damit, wieder einem geregelten Tagesablauf nachgehen zu können, seit mein Sohn zur Tagesmutter geht. Und diese Zeit ist mit meinen Lektoratskund*innen auch ganz gut gefüllt.
Interview: Sibylle Schütz
Porträtfoto: (c) Johanna Gerhard / Ma-riechen Fotografie
Beitragsfoto: (c) Johanna Gerhard / Ma-riechen Fotografie
Johanna Gerhard: Der Klang von Feuerblau, Nova MD, 1. Auflage, 2021. 230 Seiten, Broschur, 11,99 Euro, ISBN 978-3-96966850-4.
Das Buch ist über den Buchhandel und online z. B. im Autorenwelt-Shop erhältlich.
Das Buch bei Nova MD
Infos zum Selfpublishing-Buchpreis 2022
Johanna Gerhards Website und Profil im VFLL-Verzeichnis
Weitere Blogbeiträge aus dieser Reihe:
„Bei meinem ersten Buch habe ich es mit dem Gefühl des Verliebtseins verglichen“ (2022)
„Ich wusste nicht, dass ich damit ein Nischenthema abdecke“ (2022)
„Die Erwerbsarbeit hatte natürlich Vorrang“ (2022)
„Wir konnten alles so gestalten, wie wir das wollten“ (2022)
„Der Verlag hat mir beim Inhalt freie Hand gelassen“ (2022)
„Kinder – wie Erwachsene – lieben Räubergeschichten“ (2022)
„Als Lektorin habe ich es unglaublich genossen, meinen Text lektorieren zu lassen“ (2021)
„Es war toll, so nah an und mit der Zielgruppe zu arbeiten“ (2021)
„Nicht aufgeben. Dranbleiben und an dem Text arbeiten.“ (2019)
Kathrin Jurgenowski über „Die Vampirjagd“ (2019)
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